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Wie die Inter­nationale Arbeits­organi­sa­tion (ILO) arbeitet

Faire Arbeitsbedingungen sind global oft nicht gegeben. Das Ziel der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ist deshalb der weltweite Schutz von Arbeitnehmerrechten. Und ihre Struktur ist einzigartig: Vertreten sind Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Regierungen. Einblicke in die Arbeitsweise der ILO.

Eine Besucherin in Genf unterschreibt eine Kampagne zur Umsetz­ung des Protokolls zum Übereinkommen über Zwangsarbeit und schreibt mit einem schwarzen Eddig auf eine weiße Wand.
Eine Besucherin in Genf unterschreibt eine Kampagne zur Umsetz­ung des Protokolls zum Übereinkommen über Zwangsarbeit. (UN Photo/Jean Marc Ferré)

Angefangen bei der Benach­teiligung von Frauen über Kinder­arbeit bis zur Gefahr für Leib und Leben, wenn sich Arbeiterinnen und Arbeiter in einer Gewerk­schaft vereinigen möchten - die Herausforde­rungen in der Gestaltung eines global fairen Arbeits­markts sind groß.

1998 legte die Internationale Arbeits­konferenz (International Labour Conference – ILC) in der Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit Sozial­standards im Rahmen der Welthandels­ordnung nieder. Seit ihrer Überarbeitung 2022 umfassen sie fünf Bereiche: Vereinigungs­freiheit und Recht auf Kollektiv­verhandlungen, Abschaffung der Kinderarbeit, Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, Beseitigung von Zwangsarbeit, sowie Arbeits­schutz und Arbeits­sicherheit. Diese drücken sich wiederum in den zehn Kernarbeits­normen (Core Labour Standards) aus, die sich auf acht Übereinkommen beziehen, die von der ILO als “grundlegend” eingestuft werden.

In insgesamt 191 Überein­kommen und sechs Protokollen sind die Kernarbeits­normen wiederum ausgearbeitet.  Auch wenn alle Länder sich nach ihnen richten sollten, sind bisher die meisten dieser Konventionen nicht von allen 187 Mitglied­staaten der ILO ratifiziert worden. Um Fortschritte in Richtung Ratifizierung zu vereinfachen, sehen die Konven­tionen auch vor, dass ein konstruktiver Austausch zwischen Politik, Arbeit­nehmer­schaft sowie Arbeitgebern auf nationaler Ebene verankert sein sollte.

Wie Strukturen Bedin­gungen bestim­men

An der jährlichen ILC nehmen Delegationen jeden Staats und Abgesandten aller Interessens­gruppen teil. Carolin Vollmann, Referatsleiterin der inter­nationalen Abteilung des Deutschen Gewerk­schafts­bundes, erklärt in einem Interview, dass das gemeinsame Bemühen aller Interessens­vertreter für die Umsetzung der Arbeits­normen wichtig sei. 

Denn in der Arbeitswelt fließen wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen zusam­men. Wirtschaft­liche Stärke eines Landes, dessen Außen- und Innen­politik und seine ethisch-sozialen Standards beeinflus­sen sich stets gegenseitig. Eine Autokratie, die Kindern nur teilweise ihre Rechte einräumt, Frauen unterdrückt oder Geld nur in oberste Schichten lenkt, wird unwahr­scheinlich Fairness von Unternehmen verlangen. Diese unterliegen dann oft wenig Druck aus ihrer Umwelt, Standards einzuhalten, die beispielsweise Hygiene, Gleichbe­rechtigung oder angemes­sene Arbeits­zeiten schützen. Umgekehrt wäre es unüblich, wenn ein weit entwickeltes Land mit hohen menschen­rechtlichen Standards diese gegenüber der dort ansässigen Unternehmen nicht einfordern würde. Allerdings sind Wert­schöpfungs­ketten häufig komplex und erstrecken sich nicht nur innerhalb eines Staates.

Fortschritte durch Austausch

Die internationalen Wirtschafts­beziehungen bringen Wert­schöpfungs­ketten mit unterschiedlichsten Arbeitsbe­dingungen mit sich. Vollmann erklärt, dass sich die ILO diese Herausforderung mit ihrer Arbeitsweise zunutze mache. Diese folgt nämlich dem Prinzip, das Teilneh­mende sich selbst oder sich gegenseitig korrigieren können. Dazu müssen alle Staaten regelmäßig Rechen­schaft darüber ablegen, ob und warum Kern­arbeits­normen in ihrem Land nicht eingehalten werden. 

Ziel der ILO ist, dass möglichst jedes Land alle Konventionen einhält. Mitglieder der ILO sollen fort­während mehr und mehr diese inter­nationalen Arbeits­normen zu rechts­kräftigen, nationalen Beschlüssen machen. 

Wenn die Mitglied­staaten sich austauschen, entsteht neben Wissens­zugang auch Druck durch Vergleich. Dieser möge manchmal ‚nur‘ moralischer Natur sein, so Vollmann, manchmal könne er aber auch den Charakter von Konkurrenz annehmen. Letzteres besonders, wenn ein Land ähnliche Produkte mit repräsen­tativerem Herstellungs­profil anbietet.

Berichte von allen für alle

Wird eine Kernarbeits­norm verletzt, kann das von allen Delegationen, auch der eigenen, zur Sprache gebracht werden. Im opti­malen Fall einigt sich die Delegation eines teilneh­menden Landes mit der ILO darauf, künftig die entsprechende Konvention zu erfüllen. Die Umsetzung eines Überein­kommens bedeutet immer, dass ein Land neue Gesetze verabschieden und über­wachen muss. Ist das geschafft, wird diese sogenannte Ratifi­kation beim Inter­nationalen Arbeitsamt (International Labour Office) eingetragen. Sie gilt damit als bindend und kann von der ILO überwacht werden.

Das wichtigste Werkzeug der ILO sind die Berichte. Berichtet werden muss von allen Teilnehmern jährlich, die ILO wiederum nimmt während der Konferenz Bestand auf und berichtet ihrerseits darüber zurück an alle Mitglieder. So wird Protokoll über Fort- und Rück­schritte der Erfüllung der Konventionen geführt, die alle Staaten machen.

Im Zweifels­fall untersucht die ILO

Arbeit­nehmer- und Ar­beitgeber­vertreter können außerhalb der jährlichen Berichts­pflicht Beschwerden einreichen. Vollmann betont, dass diese Möglichkeit wichtig sei, wenn bedenkliche Zustände im eigenen Land beobachtet werden. Je nach Schwere des Verstoßes gegen eine Arbeitsnorm kann es dann zu Ahndungen durch einen Unter­suchungs­ausschuss kommen. 

Als Beispiel führt Vollmann das Verbot von Vereinigungs­freiheit an. Manche Staaten unterbinden den Zusammen­schluss von Gewerkschaften und Arbeitgeber­verbände. In der Konsequenz würde mitunter Gewalt gegen Gewerkschafts­mitglieder ausgeübt. Eine Beschwerde kann Auslöser dafür werden, dass die ILO mittels eines Untersuchungs­ausschusses aktiv wird. Dennoch sind auch in einem solchen Fall die exe­kutiven Möglichkeiten begrenzt. Ausschuss­mitglieder etwa, die sich ein Bild von der Lage machen möchten, würden im Zweifels­fall manchmal nicht ins Land hineingelassen, so Vollmann.

Geduld als unverzicht­bares Werkzeug

Auch wenn aufgrund unterschiedlicher Entwick­lungen und Umstände die Mitglied­staaten der ILO ein breites Spektrum an Problemen der Arbeits­welt mitbringen, gilt die Ziels­etzung, möglichst alle Arbeitsnormen umzu­setzen, für alle Staaten. Unabhängig von dessen Entwicklungs­stand. 

Es sei viel Geduld gefragt, betont Vollmann. Sobald Menschen­rechte in einer Gesell­schaft mehr Platz bekämen, würde die Arbeit daran wiederum einfacher. Die ILO leiste dazu einen wichtigen Beitrag.

Mona Holy

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