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Sicher­heitsrat und Men­schen­rechte

Die zentrale Aufgabe des UN-Sicherheits­rats ist es, den Weltfrieden und die internationale Sicher­heit zu wahren. Er ist somit in erster Linie kein Menschen­rechtsorgan. Aufgrund sich verändernder Konflikt­situationen geraten jedoch zunehmend auch Men­schen­rechtsthemen auf die Agenda des Sicher­heitsrats.

Der Hohe Kommissar für Menschenrechte Volker Türk spricht im UN-Sicherheitsrat, neben ihm sitzt der israelische Botschafter mit verschränkten Händen.
Der Hohe Kommissar für Menschenrechte Volker Türk spricht im UN-Sicherheitsrat. (UN Photo/Mark Garten)

Die zentrale Aufgabe des UN-Sicherheitsrats ist es, den Welt­frieden und die inter­nationale Sicherheit zu wahren. Dafür wurde der Sicher­heitsrat als einziges UN-Organ mit rechtlich verbindlichen Sanktions­mechanis­men ausgestattet. Diese erlauben es ihm, im Falle eines Bruchs oder der Bedrohung des Welt­friedens in die Souveränität von Staaten einzugreifen. Nach Kapitel VII der UN-Charta darf er,  falls keine einver­nehmlichen Lösungs­ansätze eines Konfliktes gefunden werden können, mit friedlichen Mitteln (Art. 41) – zum Beispiel durch wirtschaft­liche Sanktionen – und mit militärischen Mitteln (Art. 42) in die territoriale und politische Integrität eines Staates eingreifen. Ursprünglich waren diese Sanktions­möglichkeiten dafür gedacht, bewaffnete Konflikte zwischen souveränen Staaten zu verhindern oder zu beenden. Der Sicherheitsrat ist somit in erster Linie kein Menschen­rechtsorgan.

Insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges kam es immer weniger zu bewaffneten Konflikten zwischen souveränen Staaten, dafür aber häufiger zu bewaffneten inner­staatlichen Konflikten und Bürgerkriegen. Das entfachte eine Debatte darüber, ob der UN-Sicherheitsrat auch in diese Art von bewaffneten Konflikten eingreifen muss. Zudem wurde darüber diskutiert, ob ein positiver Frieden überhaupt entstehen be­ziehungs­weise gewahrt werden kann, wenn in einem Land systematisch ele­mentare Menschen­rechte verletzt werden.

Zunehmend setzt sich die Position durch, dass systematische Men­schen­rechtsverletzungen zu sozialen und politischen Spannungen führen, die schließlich auch den Frieden gefährden können. Menschen­rechtsschutz und Friedens­sicherung hängen in dieser Sichtweise also eng miteinander zusammen. Auch die Schutz­verantwortung, die sogenannte Responsibility to Protect (R2P), kann daher im Zusammenhang mit Menschen­rechts­verletzungen eine Rolle spielen.

Beispiele für Menschenrechtsschutz im Sicherheitsrat

Im Kontext bewaffneter, innerstaatlicher Konflikte wurden syste­matische und schwere Men­schenrechts­verletzungen somit zunehmend auch im Sicherheitsrat diskutiert und mehrfach von seinen Mitgliedern als Bedrohung für den Frieden eingestuft. Das erste Mal geschah dies gegenüber den Apartheids­regimen in Rhodesien (1966), heute Simbabwe, und Südafrika (1977), gegen die Sanktionen verhängt wurden.

Seitdem hat der Sicher­heitsrat immer wieder durch die Verhängung friedlicher Sanktionen – zum Beispiel ein vollständiges Handels­embargo (lediglich medizinische Güter, Lebensmittel und andere humanitäre Lieferungen waren davon ausge­nommen) gegen Irak nach dem ersten Golfkrieg – und mit mehreren humani­tären Interventionen in inner­staatliche Konflikte eingegriffen. Dies betraf beispielweise auch die militärischen Sanktionen im Konflikt in Libyen. Mit den Resolutionen 1970 und 1973 verhängte der UN-Sicherheitsrat 2011 rasch und entschlossen ein Waffenembargo und Sanktionen, errichtete eine Flugverbotszone in Libyen und erteilte die Ermächtigung zum Ergreifen “aller erforderlichen Maßnahmen” zum Schutz der Zivilbevölkerung. 

Zudem hat er eine Reihe von thematischen Resolutionen verabschiedet, die dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Menschen­rechtsverletzungen dienen. So zum Beispiel die Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009), 1998 (2011) und 2068 (2012) zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten. 

Wer entscheidet, bei welcher Menschenrechtsverletzung der Sicherheitsrat eingreift?

Im Sicherheitsrat können Resolutionen nur dann verabschiedet werden, wenn keines der fünf ständigen Mitglieder – USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - ein Veto einlegt. Außerdem müssen  mindestens neun der insgesamt 15 Mitglieder dafür stimmen. Da Entscheidungen im Sicherheitsrat somit immer auch von den politischen Interessen seiner Mitglieder abhängen, hat sich in den vergangenen Jahren kein einheitliches Muster heraus gebildet, wann Sanktionen gegen ein Land oder eine humanitäre Intervention beschlossen werden. Durch die unterschiedliche Zusammensetzung und die verschiedenen Arbeitsweisen gelangen zum Beispiel auch der Menschenrechtsrat und der Sicherheitsrat nicht immer zu einheitlichen Einschätzungen der Situationen in den Ländern. Darüber hinaus arbeiten die beiden UN-Organe nicht systematisch zusammen.

Dies erklärt, warum der Sicherheitsrat in einigen Ländern eingreift, in anderen Ländern, in denen die Menschenrechte systematische verletzt werden, jedoch untätig bleibt, oder durch ein Veto seiner ständigen Mitglieder nicht in der Lage ist, eine Resolution zu verabschieden, die ein Eingreifen mit Sanktionen ermöglichen würde.

Ein Beispiel dafür ist der Konflikt in Syrien. Während der Menschenrechtsrat bereits  im August 2011 mit der Resolution S17/1 eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Syrien (Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic) einsetzte,  blockierte der Sicherheitsrat aufgrund russisch-chinesischer Vetos bis Ende September 2013 jegliche Form der Sanktionen gegen das syrische Regime. Erst nach der Veröffentlichung des UN-Berichts über den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien gelang es dem Sicherheitsrat die Resolution 2118 zu verabschieden. In ihr wird die syrische Regierung zur Herausgabe und Vernichtung seiner Chemiewaffen aufgefordert.