Sicherheitsrat und Menschenrechte
Die zentrale Aufgabe des UN-Sicherheitsrats ist es, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Er ist somit in erster Linie kein Menschenrechtsorgan. Aufgrund sich verändernder Konfliktsituationen geraten jedoch zunehmend auch Menschenrechtsthemen auf die Agenda des Sicherheitsrats.
Die zentrale Aufgabe des UN-Sicherheitsrats ist es, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Dafür wurde der Sicherheitsrat als einziges UN-Organ mit rechtlich verbindlichen Sanktionsmechanismen ausgestattet. Diese erlauben es ihm, im Falle eines Bruchs oder der Bedrohung des Weltfriedens in die Souveränität von Staaten einzugreifen. Nach Kapitel VII der UN-Charta darf er, falls keine einvernehmlichen Lösungsansätze eines Konfliktes gefunden werden können, mit friedlichen Mitteln (Art. 41) – zum Beispiel durch wirtschaftliche Sanktionen – und mit militärischen Mitteln (Art. 42) in die territoriale und politische Integrität eines Staates eingreifen. Ursprünglich waren diese Sanktionsmöglichkeiten dafür gedacht, bewaffnete Konflikte zwischen souveränen Staaten zu verhindern oder zu beenden. Der Sicherheitsrat ist somit in erster Linie kein Menschenrechtsorgan.
Insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges kam es immer weniger zu bewaffneten Konflikten zwischen souveränen Staaten, dafür aber häufiger zu bewaffneten innerstaatlichen Konflikten und Bürgerkriegen. Das entfachte eine Debatte darüber, ob der UN-Sicherheitsrat auch in diese Art von bewaffneten Konflikten eingreifen muss. Zudem wurde darüber diskutiert, ob ein positiver Frieden überhaupt entstehen beziehungsweise gewahrt werden kann, wenn in einem Land systematisch elementare Menschenrechte verletzt werden.
Zunehmend setzt sich die Position durch, dass systematische Menschenrechtsverletzungen zu sozialen und politischen Spannungen führen, die schließlich auch den Frieden gefährden können. Menschenrechtsschutz und Friedenssicherung hängen in dieser Sichtweise also eng miteinander zusammen. Auch die Schutzverantwortung, die sogenannte Responsibility to Protect (R2P), kann daher im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen eine Rolle spielen.
Beispiele für Menschenrechtsschutz im Sicherheitsrat
Im Kontext bewaffneter, innerstaatlicher Konflikte wurden systematische und schwere Menschenrechtsverletzungen somit zunehmend auch im Sicherheitsrat diskutiert und mehrfach von seinen Mitgliedern als Bedrohung für den Frieden eingestuft. Das erste Mal geschah dies gegenüber den Apartheidsregimen in Rhodesien (1966), heute Simbabwe, und Südafrika (1977), gegen die Sanktionen verhängt wurden.
Seitdem hat der Sicherheitsrat immer wieder durch die Verhängung friedlicher Sanktionen – zum Beispiel ein vollständiges Handelsembargo (lediglich medizinische Güter, Lebensmittel und andere humanitäre Lieferungen waren davon ausgenommen) gegen Irak nach dem ersten Golfkrieg – und mit mehreren humanitären Interventionen in innerstaatliche Konflikte eingegriffen. Dies betraf beispielweise auch die militärischen Sanktionen im Konflikt in Libyen. Mit den Resolutionen 1970 und 1973 verhängte der UN-Sicherheitsrat 2011 rasch und entschlossen ein Waffenembargo und Sanktionen, errichtete eine Flugverbotszone in Libyen und erteilte die Ermächtigung zum Ergreifen “aller erforderlichen Maßnahmen” zum Schutz der Zivilbevölkerung.
Zudem hat er eine Reihe von thematischen Resolutionen verabschiedet, die dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Menschenrechtsverletzungen dienen. So zum Beispiel die Resolutionen 1612 (2005), 1882 (2009), 1998 (2011) und 2068 (2012) zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten.
Wer entscheidet, bei welcher Menschenrechtsverletzung der Sicherheitsrat eingreift?
Im Sicherheitsrat können Resolutionen nur dann verabschiedet werden, wenn keines der fünf ständigen Mitglieder – USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - ein Veto einlegt. Außerdem müssen mindestens neun der insgesamt 15 Mitglieder dafür stimmen. Da Entscheidungen im Sicherheitsrat somit immer auch von den politischen Interessen seiner Mitglieder abhängen, hat sich in den vergangenen Jahren kein einheitliches Muster heraus gebildet, wann Sanktionen gegen ein Land oder eine humanitäre Intervention beschlossen werden. Durch die unterschiedliche Zusammensetzung und die verschiedenen Arbeitsweisen gelangen zum Beispiel auch der Menschenrechtsrat und der Sicherheitsrat nicht immer zu einheitlichen Einschätzungen der Situationen in den Ländern. Darüber hinaus arbeiten die beiden UN-Organe nicht systematisch zusammen.
Dies erklärt, warum der Sicherheitsrat in einigen Ländern eingreift, in anderen Ländern, in denen die Menschenrechte systematische verletzt werden, jedoch untätig bleibt, oder durch ein Veto seiner ständigen Mitglieder nicht in der Lage ist, eine Resolution zu verabschieden, die ein Eingreifen mit Sanktionen ermöglichen würde.
Ein Beispiel dafür ist der Konflikt in Syrien. Während der Menschenrechtsrat bereits im August 2011 mit der Resolution S17/1 eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Syrien (Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic) einsetzte, blockierte der Sicherheitsrat aufgrund russisch-chinesischer Vetos bis Ende September 2013 jegliche Form der Sanktionen gegen das syrische Regime. Erst nach der Veröffentlichung des UN-Berichts über den Einsatz von chemischen Waffen in Syrien gelang es dem Sicherheitsrat die Resolution 2118 zu verabschieden. In ihr wird die syrische Regierung zur Herausgabe und Vernichtung seiner Chemiewaffen aufgefordert.