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Wirtschaft, Unternehmen und Menschenrechte

Kinderarbeit, die Ermordung von Gewerk­schafterinnen und Gewerk­schaftern, Zerstörung von Lebens­räumen: Nicht selten spielen dort, wo Menschen­rechte verletzt werden, wirtschaft­liche Interessen eine Rolle. Mit verbind­lichen Regeln für Unter­nehmen tut sich die inter­nationale Gemein­schaft jedoch bisher schwer.

Eine Hafenanlage mit Schiffen und einem Gewirr von Kränen, die in alle Richtungen zeigen.
Ein Sinnbild für Globalisierung: Die südkoreanische Stadt Busan beheimatet den siebtgrößten Hafen der Welt (UN Photo/Kibae Park)

Wirtschaftswachstum und eine verantwortungs­volle Unternehmens­kultur können entscheidende Faktoren bei der Etablierung der Menschen­rechte sein. Sie können Menschen ein Leben in Würde ermöglichen, indem sie zum Beispiel Armut bekämpfen. Damit einher geht oft der Zugang zu Bildung und Gesundheit sowie die Wahr­nehmung einer Vielzahl weiterer wirtschaft­licher, sozialer und kultureller Menschen­rechte.

Reine Profitorientierung und mangelnder Wille zur Respektierung der elementaren Menschen­rechte hingegen können schnell Menschen­rechts­verletzungen zur Folge haben. So berichtet zum Beispiel das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) von Fällen, in denen trans­nationale Wirtschafts­unternehmen oder ihre Tochter­unternehmen wissentlich oder unwissentlich an Menschen­rechts­verletzungen beteiligt waren oder diese gar selbst begangen haben. Beispiel­haft sind Berichte über menschen­unwürdige Arbeits­bedingungen in der südasiatischen Textil­industrie, mitunter für den Großkonzern KiK, oder die Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschaftlers, in die der Lebens­mittel­hersteller Nestlé verwickelt sein soll. Opfer solcher Menschen­rechts­verletzungen haben meist keinen aus­reichenden Zugang zu Rechts­mitteln oder Beschwerde­mechanismen, um ihre Menschen­rechte oder Entschädigungen einzufordern.

Die mangelnde Bereitschaft mancher Wirtschafts­unternehmen, ihre Geschäfts­praktiken an Menschen­rechts­standards auszurichten, erzeugt zunehmend Handlungs­bedarf auf inter­nationaler Ebene. Deshalb begannen die Mitglied­staaten der Vereinten Nationen 2005 durch die Schaffung des Amts des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für die Frage der Menschenrechte und transnationaler Unternehmen sowie anderer Wirtschaftsunternehmen, ihre Bemühungen um die Verein­barkeit von Menschen­rechten und Wirtschaft zu intensivieren. Es folgte ein fast sechs­jähriger Konsultations- und Beratungs­prozess auf Basis des sogenannten Ruggie-Papiers (2010), einem Entwurf der ersten richtung­weisenden Stellung­nahme der Vereinten Nationen zur Unternehmens­verantwortung im Hinblick auf die Menschen­rechte: den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Ergänzt wurden diese Leitprinzipien 2015 durch die UN-Prinzipien für verantwortungsvolle Verträge, die sicherstellen sollen, dass Menschenrechtsrisiken effektiver in Vertragsverhandlungen einbezogen werden.

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

Die völkerrechtlich nicht bindenden "Leit­prinzipien für Wirt­schaft und Menschen­rechte: Umsetzung des UN-Rahmen­werks 'Schutz, Achtung und Abhilfe'" (engl. Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations “Protect, Respect and Remedy” Framework; kurz UNGP) von 2011 gehen aus dem Rahmenwerk der Vereinten Nationen „Schutz, Achtung und Abhilfe“ (engl. “Protect, Respect and Remedy” Framework) von 2008 hervor. Das Rahmen­werk diente dem Zweck, den involvierten Akteuren und Partnern der Konsultation über die Ver­pflichtung von Wirtschafts­unternehmen zur Respektierung von Menschen­rechten eine inhalt­liche Grundlage zu verschaffen. Es identifiziert drei elementare Bestand­teile der Vereinbar­keit von Wirtschaft und Menschen­rechten. Diese finden sich konkretisiert und operationalisiert in den UNGP wieder, einstimmig angenommen durch die Menschenrechtsratsresolution 17/4:

  • Erstens, die primäre Schutzpflicht der Staaten. Sie beinhaltet Maßnahmen der Mitglied­staaten auf territorialer Ebene, um ihre Bürger vor Menschen­rechts­verletzungen durch Wirtschafts­unternehmen zu schützen (Schutz). Des Weiteren sollen Staaten Wirtschafts­unternehmen in der Umsetzung der UNGP unterstützen. Staaten sollten es auch vermeiden, Wirtschafts­unternehmen zu fördern oder mit diesen zu kooperieren, wenn die Verein­barkeit von Unternehmens­politik und Menschen­rechten nicht gegeben ist. Diese Regelung betrifft ins­besondere Regionen, in denen bewaffnete Konflikte bestehen.
  • Zweitens, das Prinzip der Unternehmens­verantwortung (Corporate Social Responsibilty, vgl. linke Spalte), das Wirtschafts­unternehmen auffordert, Menschen­rechte anzu­erkennen, zu respektieren und eine Verletzung der selbigen zu vermeiden (Respekt). Die freiwillige Selbst­verpflichtung von Wirtschafts­unternehmen fordert diese auf, die Auswirkungen ihrer Aktivitäten im Vorfeld abzuschätzen. Sobald Menschen­rechts­verletzungen wahr­scheinlich oder absehbar sind, gilt es, diese zu unterlassen.
  • Drittens, der Zugang zu Rechtsmitteln. Opfern von Menschen­rechts­verletzungen sollte der Zugang zu nationalen Rechts­mitteln erleichtert werden, um eventuelle Beschwerden einreichen oder Entschädigungen einfordern zu können (Abhilfe). Entsprechende Maßnahmen durch den Staat und Wirtschafts­unternehmen beinhalten zum Beispiel den Abbau von finanziellen, sprachlichen oder institutionellen Hürden.

Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft: Der Global Compact

Global Compact in China: der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon trifft die an der Plattform beteiligten Führungsspitzen von Unternehmen (UN Photo/Evan Schneider)

Um die Integration universeller Prinzipien aus den Bereichen der Menschen­rechte, Arbeitsnormen, Umwelt­schutz und Korruptions­bekämpfung in das Handeln von Firmen zu fördern, wurde im Jahr 2000 auf dem Welt­wirtschafts­forum in Davos der Global Compact ins Leben gerufen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Dialog- und Lernplatt­form, bei der sich Firmen, Staaten und nicht-staatliche Akteure (darunter auch Gewerk­schaften, Universitäten und Städte) über Erfahrungen und Vorgehens­weisen bei der Umsetzung der Prinzipien des Compacts austauschen und vernetzen können.

Insgesamt gibt es zehn Prinzipien:

  • Firmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und
  • sicherstellen, dass sie nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind;
  • Die Rechte ihrer Beschäftigten auf die Bildung einer Gewerkschaft und kollektiver Verhandlungen anerkennen und
  • alle Formen von Zwangsarbeit und
  • Kinderarbeit ausschließen sowie
  • Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf ausschließen;
  • Bei ökologischen Themen sollen Firmen einer Sorgfaltspflicht nachkommen und
  • mit Initiativen die Übernahme einer größeren Verantwortung für die Umwelt fördern und
  • die Entwicklung und Weiterverbreitung umweltfreundlicher Technologien fördern;
  • Alle Formen von Korruption bekämpfen, auch Bestechung und Erpressung.

Mit über 8.000 teilnehmenden Firmen und über 4.000 weiteren Teil­nehmenden ist der Global Compact die welt­weit größte Initiative zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility. Die Teilnahme am Global Compact ist freiwillig und es gibt keine Sanktions­maßnahmen bei Verstößen gegen die Prinzipien. Zur Umsetzung des Global Compact gibt es in vielen Staaten zusätzlich Netzwerke auf nationaler Ebene, wie etwa das Deutsche Global Compact Netzwerk.

Die Mitglieder veröffentlichen jährlich einen Fort­schritts­bericht über die Umsetzung der zehn Prinzipien („Communication on Progress“), der auf der Internet­seite des UN Global Compact öffentlich zugänglich ist. Dadurch sollen Transparenz und die Übernahme von Verant­wortung gestärkt, sowie eine kontinuierliche Verbesserung der Nach­haltig­keit und gegen­seitiges Lernen gefördert werden. Veröffent­licht eine Firma zwei Jahre lang keinen Bericht, wird diese ausgeschlossen.

Für diese Berichte gibt es jedoch keinen unabhängigen Über­prüfungs­mechanismus; ebenso wenig existieren Sanktions­möglichkeiten bei Verstößen gegen die zehn Prinzipien. Deshalb sieht sich der Global Compact der dauer­haften Kritik ausgesetzt, dass er von vielen Firmen lediglich dazu ausgenutzt werde, das eigene Image mit übertrieben positiven Berichten aufzu­polieren, ohne ernsthafte Reformen vorzunehmen. Teils wird dies sogar als Ausweich­strategie inter­pretiert, um politischen Reform­druck zu verringern und so die Einführung rechtlich bindender Regelungen zu verhindern. Ob der Global Compact eher als Weg­bereiter für verbindliche Regeln fungiert oder im Gegenteil die Verab­schiedung rechtlich verbindlicher Regeln erschwert, ist daher umstritten.

Der Prozess für ein verbindliches UN-Abkommen über Wirtschaft und Menschenrechte

Ein Blick von der Besucherplattform auf den runden Sitzungssaal des Menschenrechtsrates.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf. Droht eine Spaltung über die Frage von rechtlich bindenden Richtlinien für Wirtschaft und Unternehmen? (UN Photo/Jean-Marc Ferré)

Sicherlich haben sich bereits einige Wirtschafts­unternehmen den freiwilligen UNGP verschrieben. Weltweit betrachtet bleiben Unternehmen im Hinblick auf Menschen­rechts­verletzungen aber weitest­gehend eher Teil des Problems als der Lösung. Ein neuer Anlauf im Menschen­rechtsrat soll diesen Umstand nun ändern. Eine mit der Unter­stützung von 20 weiteren Staaten, vorwiegend aus dem globalen Süden, im Juni 2014 von Ecuador und Südafrika eingebrachte und angenommene Resolution, könnte zu einem Wendepunkt bei dem Vorhaben werden, Wirtschafts­unternehmen rechtlich zu Menschen­rechts­standards zu verpflichten. Die Resolution fordert die Schaffung einer offenen Arbeits­gruppe mit der Aufgabe, ein rechtlich verbindliches Instrument zu erarbeiten, dass die Achtung von Menschen­rechten durch Wirtschafts­unternehmen regelt. Parallel dazu wurde jedoch eine weitere Resolution verabschiedet, eingebracht von Norwegen und unterstützt von 22 weiteren Staaten, vorwiegend aus dem globalen Norden. Diese wiederum verlängerte das Mandat der bisherigen Arbeits­gruppe für Wirtschaft und Menschen­rechte und beauftragte die Arbeitsg­ruppe, die weitergehenden Vor- und Nachteile eines rechtlich verbindlichen Instrumentes zu erörtern.

Die Beschlüsse des Menschenrechts­rats zeugen von einem aktuellen Wandel in der Heran­gehensweise an die problematische Beziehung zwischen Wirtschafts­unternehmen und Menschen­rechten und drohen gleichzeitig, die Beschluss­fähigkeit des Menschen­rechts­rats und den Fortschritt in diesem Prozess zu gefährden. Eine Einschätzung, ob die UNGP oder ein rechtlich bindendes Instrument effektiver zum Menschen­rechts­schutz beitragen, ist komplex. Fest steht jedoch, dass die UNGP bis dato noch keine bahn­brechenden Veränderungen des Status Quo erwirkt haben. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass ein Verfahren zur rechtlich verbindlichen Fest­legung des Menschen­rechts­schutzes durch Unternehmen bereits 2004 auf UN-Ebene am Widerstand der Mitglied­staaten und der Wirtschaft gescheitert ist.

Der Konflikt, der sich im Menschenrechtsrat zwischen den Befürwortern und Gegnern eines rechtlich verbindlichen Instrumentes anbahnt, ist überwiegend ein Konflikt zwischen den Heimat- und den Gast­staaten von Wirtschafts­unternehmen. Damit also auch zwischen den Staaten, in denen der Großteil der Mutter­konzerne angesiedelt ist und der Staaten­gruppe, in denen ein Großteil dieser Unternehmen oder ihrer Tochter­firmen Menschen­rechts­verletzungen begehen oder in Kauf nehmen.

Letztendlich folgen aber beide Bemühungen einem gemeinsamen Ziel: Die Verein­barkeit von Menschen­rechten und Wirtschaft unter der Bedingung herzu­stellen, dass Menschen­rechte nicht verhandelbar sind. So gesehen, bedeuten zwei Arbeits­gruppen mit unter­schiedlichen Aufträgen per se noch keine Blockade des Menschen­rechtsrats in Bezug auf Wirtschaft und Menschenrechte. Durch Verzicht auf Block­politik im Menschen­rechtsrat und einen konstruktiven Dialog sowie Austausch der beiden Interessen­gruppen, kann ein wirklicher Wendepunkt erreicht werden. So kann man, wie auch der Sonder­beauftragte für Wirtschaft und Menschen­rechte John Ruggie selbst anmerkte, die UNGP als Ausgangs­punkt für die Entwicklung eines völker­rechtlich bindenden Überein­kommens betrachten. Damit wäre jetzt der nächste logische Schritt fällig.

Unternehmen und internationale Verbrechen

In der Ausführung ihrer unternehmerischen Tätigkeit und der Erreichung unternehmerischer Ziele kommt es vor, dass Unternehmen in schwere Menschenrechtsverletzungen oder der Zerstörung von Lebensräumen verwickelt sind. So tragen sie teils wissentlich, teils unwissentlich zur Verletzung fundamentaler Menschenrechte bei. Ein gängiges Beispiel ist die Verletzung von Arbeitsnormen. Vereinzelt treten auch extreme Formen von Menschenrechtsverletzungen auf, die das Potenzial haben, als internationales Verbrechen qualifiziert zu werden. Bei internationalen Verbrechen handelt es sich um jene schwersten Verbrechen, die vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geahndet werden. Dazu zählen Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie seit wenigen Jahren auch das Verbrechen der Aggression. Die Beteiligung von Unternehmen an solchen Verbrechen ist kein neues Phänomen, sondern kann schon in unternehmerischen Tätigkeiten während des Zweiten Weltkrieges identifiziert werden. Ein bekanntes Beispiel für die unternehmerische Verwicklung in internationalen Verbrechen ist das deutsche Unternehmen Topf & Söhne, welches Öfen für die Krematorien in den Konzentrationslagern herstellte, und somit in der Todesmaschinerie des Dritten Reiches involviert war.

Meistens stammen die in Frage kommenden Unternehmen aus Ländern des globalen Nordens und führen ihre unternehmerischen Tätigkeiten in Ländern des globalen Südens aus. Diese Tatsache steht in engem Zusammenhang mit der fortschreitenden Globalisierung, die die Auslagerung der Lieferketten vorantreibt. Die Auslagerung dieser Lieferketten in Länder des globalen Südens bringt oft Schaden für Mensch und Natur mit sich. Meistens sind besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen von diesen unternehmerischen Tätigkeiten betroffen, die kaum bis keine Möglichkeiten haben sich zu wehren, für ihre Rechte einzustehen oder möglicherweise Rechtsbeistand zu ersuchen. So kommt es, dass bis heute kaum ein Unternehmen für seine menschenrechtsverletzenden Praktiken gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurde.

Die Gründe für dieses unternehmerische Fehlverhalten sind divers und reichen von Profitmaximierung bis hin zu fehlenden Kontrollmechanismen auf unternehmerischer oder staatlicher Ebene. Es gibt kein einheitliches Handlungsmuster, wie Unternehmen an solchen Verbrechen beteiligt sind. Meistens partizipieren Unternehmen an den Verbrechen anderer, indem sie beispielsweise Produkte kaufen, deren Produktion auf Menschenrechtsverletzungen basiert. Unternehmen können allerdings auch als Beschleuniger fungieren, indem sie Hilfe in Form von Kapital, Produkten oder anderem anbieten, die zur Ausübung weiterer Verbrechen genutzt wird.  

Grundsätzlich sind manche Industriebereiche öfter an solchen Verbrechen beteiligt als andere, was mitunter auf die Natur des Produktes zurückzuführen ist. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen aus der Rüstungs- oder Chemieindustrie in Verbrechen verwickelt ist, höher, als für ein Unternehmen aus dem Finanzsektor.