Als Frauenrechte in Beijing Geschichte schrieben
„Frauenrechte sind Menschenrechte!“ – Dieser Satz, den die damalige First Lady der USA, Hillary Clinton, während der Vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing aussprach, dürfte vielen bekannt sein. Weniger bekannt hingegen ist die Konferenz selbst, bei der im September 1995 etwa 17.000 Menschen aus aller Welt zusammenkamen. Gemeinsam diskutierten sie darüber, wie Gleichstellung global vorangetrieben werden könnte. Was damals vereinbart wurde, prägt bis heute die internationale Frauen- und Gleichstellungspolitik und zeigt, wie wichtig kontinuierlicher Einsatz für grundlegende Menschenrechte bleibt. Seither hat die Notwendigkeit dafür – leider – kaum an Aktualität verloren. Doch der damalige Konsens steht heute stark untern Druck.
Ein langer Weg nach Beijing
Die Konferenz in Beijing war Höhepunkt eines jahrzehntelangen Prozesses, Geschlechtergerechtigkeit auf der internationalen Agenda zu verankern. Bereits 1975 riefen die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Frau aus und veranstalteten in Mexiko-Stadt die erste Weltfrauenkonferenz. Es entstand ein globaler Aktionsplan, welcher in nachfolgenden Konferenzen in Kopenhagen (1980) und Nairobi (1985) überprüft und ergänzt wurde. Diese Erfahrungen ebneten schließlich den Weg für die ambitionierten Beschlüsse der vierten Weltfrauenkonferenz.
In Beijing verabschiedeten die Teilnehmerstaaten zwei zentrale Dokumente: die Erklärung und die Aktionsplattform von Beijing. 1Die Erklärung hält fest, dass Frauenrechte integraler Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte sind, und verpflichtete die Staaten, Diskriminierung entschieden und proaktiv entgegenzutreten. Die Aktionsplattform formulierte konkrete Ziele in zwölf Bereichen, darunter Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche und politische Teilhabe, Mädchenrechte und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Sie enthält klare Handlungsempfehlungen sowie messbare Zielsetzungen, die seither Orientierung für politische Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene bieten.
Kontinuierliche Überprüfung und neue Impulse
Im Fünfjahresrhythmus wird der Umsetzungsstand der Vereinbarungen von Beijing überprüft und die Selbstverpflichtungen der Staatengemeinschaft im Rahmen der UN-Frauenrechtskommission (Commission on the Status of Women - CSW) erneuert. Zum 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2020 stellte sich die Frage nach der Zukunft der Weltfrauenkonferenzen zunehmend drängend. Um langsame Fortschritte zu beschleunigen und neu aufkommende Themen wie etwa Klimagerechtigkeit oder Digitalisierung zu bedienen, wurde das Generation Equality Forum ins Leben gerufen. In diesem Rahmen finden sich Regierungen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft in zwei internationalen Foren und thematischen Aktionsbündnissen (Action Coalitions) zusammen und verpflichten sich zu konkreten Initiativen und Investitionen für Geschlechtergerechtigkeit.
Das Forum konnte eine Dynamik schaffen, durch die 2024 Investitionen von insgesamt 50,3 Milliarden US-Dollar für Geschlechtergerechtigkeit zugesagt wurden. Ein genauerer Blick in den aktuellen Rechenschaftsbericht von UN Women (‚Gender Equality Accountability Report 2024‘) zeigt , dass etwa zwei Drittel dieser Mittel in die wirtschaftliche Stärkung von Frauen und Mädchen fließen. Die anderen Aktionsbündnisse zu sexuellen und reproduktiven Rechten, der Förderung feministischer zivilgesellschaftlicher Organisationen, Digitalisierung und Klimagerechtigkeit erhalten deutlich weniger finanzielle Unterstützung. Angesichts der tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen durch den Klimawandel und die Digitalisierung sowie des wachsenden politischen Drucks auf körperliche Selbstbestimmung und feministische Bewegungen darf die Förderung von Gleichstellungsbemühungen hier aber nicht haltmachen. Diese Finanzierungsschwierigkeiten spiegeln auch das derzeitige politische Klima wider: Frauenrechte sind weltweit zunehmend von einer rechtskonservativen Gegenbewegung bedroht. Rückwärtsgewandte Vorstellungen von Geschlecht und Familie sowie antidemokratische Tendenzen gewinnen vielerorts an Einfluss und prägen zunehmend nationale Politiken.
Die entscheidende Rolle der Zivilgesellschaft
In diesem schwierigen Umfeld kommt der feministischen Zivilgesellschaft eine besonders wichtige Rolle zu: Sie setzt dem Backlash entschlossen progressive Ideen einer geschlechtergerechten Gesellschaft entgegen. Ohne die aktive Beteiligung feministischer Organisationen und Aktivistinnen wären viele zentrale Forderungen in Beijing nicht so deutlich formuliert worden. Auch für die Umsetzung und kritische Überprüfung der Aktionsplattform sind sie unverzichtbar. In ihrer alltäglichen Arbeit sorgen sie dafür, dass diese Verpflichtungen aktiv umgesetzt werden. Foren wie die CSW nutzen sie, um strukturelle Diskriminierung sichtbar zu machen, notwendige Veränderungen einzufordern und Regierungen an ihre Verpflichtungen zu erinnern.
Die CSW 2025 zwischen Widerständen und Engagement
Diese aktuellen Entwicklungen prägen auch die diesjährige Sitzung der CSW in New York, die das 30-jährige Jubiläum der Erklärung und der Aktionsplattform von Beijing beging. Trotz starken Gegenwinds und schwindender Unterstützung vieler Regierungen wurde eine politische Erklärung verabschiedet, die Geschlechtergerechtigkeit als politisches Ziel bekräftigt. Das allein ist ein Erfolg, der noch wenige Tage vor der Konferenz als alles andere als sicher galt. Jedoch bleibt sie in kritischen Bereichen wie Gewaltschutz und der Förderung feministischer Organisationen vage und klammert sexuelle und reproduktive Rechte sowie die Inklusion queerer Menschen gänzlich aus. Damit ist sie Zeugnis der unermüdlichen Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen und verbündeter Regierungen, die trotz des schwierigen Klimas ein offenes Ohr und Einsatz zeigen, aber auch des schwindenden Konsenses darüber, dass Frauenrechte Menschenrechte und damit nicht verhandelbar sind. Dies ermutigt und bestürzt zugleich, zeigt aber vor allem, wie wichtig der Grundstein war, der vor 30 Jahren in Beijing gelegt wurde.
Nora Teuma