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Als Frauenrechte in Beijing Geschichte schrieben

Vor 30 Jahren wurde in Beijing das bisher weitreichendste Dokument für Frauenrechte verabschiedet. Mittlerweile sehen sich Frauenrechte jedoch einem besorgniserregenden Rückschritt gegenüber – dieser Zwiespalt zum 30-jährigen Jubiläum prägt auch die derzeitige Sitzung der UN-Frauenrechtskommission.

Teilnehmerinnen der CSW69 reagieren auf die Verabschiedung der Politischen Erklärung (UN Photo/Manuel Elías)

Frauenrechte sind Menschenrechte!“ – Dieser Satz, den die damalige First Lady der USA, Hillary Clinton, während der Vierten Weltfrauen­konferenz in Beijing aussprach, dürfte vielen bekannt sein. Weniger bekannt hingegen ist die Konferenz selbst, bei der im September 1995 etwa 17.000 Menschen aus aller Welt zusammen­kamen. Gemeinsam diskutierten sie darüber, wie Gleich­stellung global vorangetrieben werden könnte. Was damals vereinbart wurde, prägt bis heute die internationale Frauen- und Gleich­stellungs­politik und zeigt, wie wichtig kontinuierlicher Einsatz für grundlegende Menschen­rechte bleibt. Seither hat die Notwendigkeit dafür – leider – kaum an Aktualität verloren. Doch der damalige Konsens steht heute stark untern Druck.

Ein langer Weg nach Beijing

Die Konferenz in Beijing war Höhepunkt eines jahrzehn­telangen Prozesses, Geschlechter­gerechtigkeit auf der internationalen Agenda zu verankern. Bereits 1975 riefen die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Frau aus und veranstalteten in Mexiko-Stadt die erste Weltfrauen­konferenz. Es entstand ein globaler Aktionsplan, welcher in nachfolgenden Konferenzen in Kopenhagen (1980) und Nairobi (1985) überprüft und ergänzt wurde. Diese Erfahrungen ebneten schließlich den Weg für die ambitionierten Beschlüsse der vierten Weltfrauen­konferenz. 

In Beijing verabschiedeten die Teilnehmerstaaten zwei zentrale Dokumente: die Erklärung und die Aktions­plattform von Beijing. 1Die Erklärung hält fest, dass Frauenrechte integraler Bestandteil der allgemeinen Menschen­rechte sind, und verpflichtete die Staaten, Diskriminierung entschieden und proaktiv entgegen­zutreten. Die Aktions­platt­form formulierte konkrete Ziele in zwölf Bereichen, darunter Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche und politische Teilhabe, Mädchenr­echte und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Sie enthält klare Handlungs­empfehlungen sowie messbare Ziel­setzungen, die seither Orientierung für politische Entscheidungen auf nationaler und inter­nationaler Ebene bieten.

Konti­nuier­liche Über­prüfung und neue Impulse

Im Fünfjahres­rhythmus wird der Umsetzungs­stand der Verein­barungen von Beijing überprüft und die Selbst­ver­pflichtungen der Staaten­gemein­schaft im Rahmen der UN-Frauenrechts­kommission (Commission on the Status of Women - CSW) erneuert. Zum 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2020 stellte sich die Frage nach der Zukunft der Welt­frauen­konferenzen zunehmend drängend. Um langsame Fortschritte zu beschleunigen und neu aufkommende Themen wie etwa Klima­gerechtigkeit oder Digitali­sierung zu bedienen, wurde das Generation Equality Forum ins Leben gerufen. In diesem Rahmen finden sich Regierungen, Zivilge­sellschaft und Privatwirtschaft in zwei internationalen Foren und thematischen Aktions­bündnissen (Action Coalitions) zusammen und verpflichten sich zu konkreten Initiativen und Investitionen für Geschlechter­gerechtigkeit.

Das Forum konnte eine Dynamik schaffen, durch die 2024 Investitionen von insgesamt 50,3 Milliarden US-Dollar für Geschlechter­gerechtig­keit zugesagt wurden. Ein genauerer Blick in den aktuellen Rechen­schaftsbericht von UN Women (‚Gender Equality Accountability Report 2024‘) zeigt , dass etwa zwei Drittel dieser Mittel in die wirtschaftliche Stärkung von Frauen und Mädchen fließen. Die anderen Aktions­bündnisse zu sexuellen und reproduktiven Rechten, der Förderung feminis­tischer zivilgesellschaftlicher Organisationen, Digitali­sierung und Klima­gerech­tigkeit erhalten deutlich weniger finanzielle Unterstützung. Angesichts der tiefgreifenden gesell­schaft­lichen Veränderungen durch den Klimawandel und die Digitalisierung sowie des wachsenden politischen Drucks auf körperliche Selbstbe­stimmung und feminis­tische Bewegungen darf die Förderung von Gleich­stellungs­bemühungen hier aber nicht haltmachen. Diese Fi­nanzierungs­schwierig­keiten spiegeln auch das derzeitige politische Klima wider: Frauenrechte sind weltweit zunehmend von einer rechts­konser­vativen Gegen­bewegung bedroht. Rückwärts­gewandte Vorstel­lungen von Geschlecht und Familie sowie anti­demokra­tische Tendenzen gewinnen vielerorts an Einfluss und prägen zunehmend nationale Politiken.

Die entschei­dende Rolle der Zivil­gesell­schaft

In diesem schwierigen Umfeld kommt der feminis­tischen Zivilge­sellschaft eine besonders wichtige Rolle zu: Sie setzt dem Backlash entschlossen progressive Ideen einer geschlechter­gerechten Gesellschaft entgegen. Ohne die aktive Beteiligung feminis­tischer Organisationen und Aktivistinnen wären viele zentrale Forderungen in Beijing nicht so deutlich formuliert worden. Auch für die Umsetzung und kritische Überprüfung der Aktions­plattform sind sie unverzichtbar. In ihrer alltäglichen Arbeit sorgen sie dafür, dass diese Verpflichtungen aktiv umgesetzt werden. Foren wie die CSW nutzen sie, um strukturelle Diskriminierung sichtbar zu machen, notwendige Veränderungen einzufordern und Regierungen an ihre Verpflich­tungen zu erinnern.

Die CSW 2025 zwischen Wider­ständen und Engagement

Diese aktuellen Entwicklungen prägen auch die diesjährige Sitzung der CSW in New York, die das 30-jährige Jubiläum der Erklärung und der Aktions­plattform von Beijing beging. Trotz starken Gegenwinds und schwindender Unterstützung vieler Regierungen wurde eine politische Erklärung verabschiedet, die Geschlechter­gerechtigkeit als politisches Ziel bekräftigt. Das allein ist ein Erfolg, der noch wenige Tage vor der Konferenz als alles andere als sicher galt. Jedoch bleibt sie in kritischen Bereichen wie Gewaltschutz und der Förderung feministischer Organisationen vage und klammert sexuelle und reproduktive Rechte sowie die Inklusion queerer Menschen gänzlich aus. Damit ist sie Zeugnis der unermüdlichen Arbeit zivilgesell­schaftlicher Organisationen und verbündeter Regierungen, die trotz des schwierigen Klimas ein offenes Ohr und Einsatz zeigen, aber auch des schwindenden Konsenses darüber, dass Frauenrechte Menschen­rechte und damit nicht verhandelbar sind. Dies ermutigt und bestürzt zugleich, zeigt aber vor allem, wie wichtig der Grundstein war, der vor 30 Jahren in Beijing gelegt wurde.

Nora Teuma

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