‚Ökozid‘ als Straftatbestand im internationalen Strafrecht

Schild bei einer Klima-Demonstration (Foto: Ivan Radic/flickr/CC BY 2.0/cropped from original)
Im Detail geht es dabei darum, den Artikel 5 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (International Criminal Court - ICC) um den internationalen Straftatbestand der schwersten Umweltverbrechen (‚Ökozid‘) zu ergänzen.
Inzwischen haben vierzehn Länder den ‚Ökozid‘ bereits als Verbrechen innerhalb ihrer Grenzen strafrechtlich kodifiziert. Aktuell werden unter Verbrechen des Ökozids rechtswidrige oder willkürliche Handlungen verstanden, die mit dem Wissen begangen wurden, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerer und entweder weitreichender oder langfristiger Schäden für die Umwelt besteht, die durch diese Handlungen verursacht worden sind. Es geht also um die internationale Ahndung langzeitiger Schädigungen oder gar Zerstörungen ganzer Ökosysteme, wie zum Beispiel die bewusste Zerstörung eines Regenwaldes, die Ölverschmutzung im Nigerdelta durch Shell und dergleichen.
Kein Mangel an Initiativen
Im Antrag ‚Die Einführung von Ökozid im internationalen Strafrecht unterstützen‘ hat auch die Mitgliederversammlung der DGVN im November 2024 beschlossen, sich dafür einzusetzen, Ökozid als Straftatbestand ins internationale Strafrecht aufzunehmen. Unter anderem wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, entsprechende Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene aktiv zu unterstützen. In dem Antrag wird betont, dass die Menschheit mit der Anerkennung von Ökozid als Verbrechen einen moralischen, universellen Kompass im Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen erhält. Auch der CDU/CSU/SPD-Koalitionsvertrag 2025 äußert sich zur ‚Umweltkriminalität‘; dort heißt es, „Umweltkriminalität … bedroht unsere Lebensgrundlagen.“ Und weiter: „In einem Nationalen Aktionsplan verständigen wir uns auf Ziele und Maßnahmen für eine verstärkte Bekämpfung von Umweltkriminalität. Wir, die Koalitionäre, setzen uns für eine verstärkte europäische und internationale Zusammenarbeit ein.“
Insbesondere durch die Initiative der Europäischen Union Anfang 2024 ist der Gegenstand ein gutes Stück vorangebracht worden. Bis Mai 2026 sind die EU-Staaten (außer Dänemark und Irland) nun gehalten, die EU-Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag liegt außerdem seit September 2024 offiziell ein Antrag der Inselstaaten Vanuatu, Fidschi und Samoa zur Erweiterung von Artikel 5 und 8 des Römischen Statut vor; auch Deutschland sollte sich für eine entsprechende Erweiterung des Statuts einsetzen.
Noch viel Präzisionsbedarf
Letztlich geht es um den erhöhten und strafbewehrten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen. Dazu braucht die Natur eine eigene ökologische Rechtspersönlichkeit und Gerichte, die solche Rechtsansprüche durchsetzen können. Das internationale Umwelt- und insbesondere Umweltstrafrecht ist eine komplexe und zudem noch Rechtsmaterie, die noch in den Kinderschuhen steckt. Es gilt, sie zum Wohl der Menschheit zu etablieren und zu entwickeln. Dieses Rechtsthema nimmt zunehmend Fahrt auf, vieles ist aber auch noch zu präzisieren.
Das beginnt schon mit dem Begriff des ‚Ökozid‘ selbst, der manchen zu nahe an dem Begriff des ‚Genozids‘ dran ist; dennoch bedarf das Vorgehen einer griffigen Überschrift. Im Falle von (vermuteten) Rechtsverstößen stellt sich die Frage der gerichtlichen Zuständigkeiten (regionale, nationale oder internationale Gerichte), der Beweisführung und nicht zuletzt, wer für den abzuurteilenden Fall strafrechtlich in die Verantwortung genommen werden kann. Wie können die einzelnen Initiativen und Institutionen zum Schutz der globalen Ökosysteme möglichst effektiv zusammenspielen?
Ein wichtiges Element: die Anerkennung der Rechte der Natur
Wolf Hingst, der Leiter von Stop Ecocide Deutschland, sieht in einem Ökozid-Gesetz eine grundlegende Veränderung des moralischen und rechtlichen Bewusstseins im Umgang mit der Natur. Er argumentiert, dass der internationale Strafrahmen die Spielregeln der Wirtschaft ändern könnte, indem er fossile Industrien und extraktive Geschäftsmodelle unter Druck setzt. Doch der Weg dahin ist lang – und es braucht die Unterstützung von Politik, Justiz und Zivilgesellschaft, um dieses Ziel zu erreichen. Die Staatengemeinschaft wird um eine leistungsfähige globale Umweltordnung nicht umhinkommen.
Jens Kersten, Rechtswissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München, umreißt in seinem Essay ‚Governance im Anthropozän‘ Anforderungen an eine solche Umweltordnung. Er schreibt, dass zum Schutz der Natur, nicht nur ökologische Rechte der Bürgerinnen und Bürger, sondern vor allem auch die Rechte der Natur anerkannt werden müssen. Denn mit subjektiven Rechten verfügen insbesondere ökologische Personen über die Möglichkeit, die Rechtsordnung im eigenen Interesse in Bewegung zu setzen. Mit der Anerkennung der Rechte von ökologischen Personen schafft anthropozäne Governance ökologische Rechtskonflikte, durch die sich die Natur effektiv selbst schützen und damit die Rechtsordnung insgesamt ökologisch weiterentwickeln kann. Aus diesem Grund sind die Rechte der Natur ein unverzichtbarer Baustein anthropozäner Governance.
Bei all unseren Bemühungen um den Schutz der Ökosysteme dürfen wir nie vergessen: Die Natur hat zwar keine Stimme, aber sie hat gleichwohl das Sagen! Nachdem wir im Anthropozän verstanden haben und mehr und mehr verinnerlichen, dass wir Teil des Problems einer gefährdeten Umwelt sind, müssen wir jetzt darüber hinaus begreifen, dass wir alle zugleich Teil der Lösung dieses Problems sind.
Wolfgang Vieweg
Eine Vertiefung des Themas und eine weitere Erörterung und Klärung der hier angeschnittenen Fragen hat sich die Sonderreihe „UNrecht“ des UNhörbar-Podcastes des DGVN-Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Aufgabe gemacht. In einer Sonderstaffel zum Thema ‚Ökozid‘ besprechen fünf ausgewiesene Expertinnen und Experten in je einem circa halbstündigen Podcast interessante Details zum Thema.