Kolumbien: Frauen ändern die Welt
Unter dem Namen ‘Frauen ändern ihre Welt’ haben UN Womenmit Unterstützung Deutschlands im vergangenen Jahr ein Projekt in Kolumbien gestartet, das darauf abzielt, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. In neun Teilprojekten, verteilt auf 14 ländliche Gemeinden, werden vor allem indigene und afro-kolumbianische Frauen unterstützt, um wirtschaftlich unabhängiger und selbstbewusster zu werden. Insgesamt erreicht die Initiative 743 Frauen.
Das Ziel der Initiative ist es, Umweltschützerinnen ein sicheres und unterstützendes Umfeld zu bieten, in dem sie ihre Anliegen vertreten können. Gleichzeitig sollen ihre Lebensgrundlagen gesichert werden. Dabei setzt das Projekt auf eine Perspektive, die Generationen verbindet und die ethnische, gemeinschaftliche und regionale Vielfalt berücksichtigt.
Laut der Organisation Global Witness, die Gewalt gegen Umweltschützerinnen und Umweltschützer dokumentiert, war Lateinamerika im Jahr 2023 die gefährlichste Region der Welt für Umweltaktivismus. Neun von zehn Morden an Umweltschützenden ereigneten sich in dieser Region. Besonders kritisch ist die Lage in Kolumbien, wo 60 Fälle dokumentiert wurden – fast doppelt so viele wie die 33 Fälle, die noch 2021 registriert wurden.
Schwieriger Ort für Mädchen und Frauen
Kolumbien befindet sich in einer schwierigen Situation zwischen dem Friedensprozess und anhaltenden bewaffneten Konflikten. Der kolumbianische Friedensprozess, der 2016 mit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Regierung und der FARC-Miliz seinen Höhepunkt erreichte, wurde maßgeblich durch die Unterstützung der Vereinten Nationen begleitet, die eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Verifikation der Umsetzung des Friedensabkommens spielte. Die UN setzte sich für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Förderung nachhaltiger Friedensinitiativen ein, um die jahrzehntelange Gewalt in Kolumbien zu beenden und einen langfristigen Frieden zu sichern.
Die weibliche Bevölkerung ist dabei besonders betroffen: Frauen stellen einen großen Anteil der Zwangsvertriebenen und der Opfer jahrzehntelanger Gewalt. Das kolumbianische Verfassungsgericht hat diese spezifische Verwundbarkeit bereits anerkannt und den Staat verpflichtet, die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Konflikten und Vertreibungen auf Frauen zu verhindern. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts mindestens zehn Risikofaktoren ausgesetzt sind, darunter Zwangsrekrutierung und Zwangsenteignung.
Darüber hinaus haben Frauen in Kolumbien nach wie vor Schwierigkeiten, ihren Platz auf der politischen Agenda zu finden. Das Verfassungsgericht beschreibt die kolumbianische Gesellschaft selbst als „patriarchalisch“, was Frauen in Führungspositionen vor große Hürden stellt.
Ein Ansatz, der von unten kommt
Viele Projekte verfolgen einen sogenannten Top-Down-Ansatz, bei dem die Lebensumstände der Beteiligten oft ignoriert werden. Anders ist es bei ‚Frauen ändern die Welt‘: Hier haben die Kollektive selbst Vorschläge eingereicht. Die Gemeinschaft ‘El Poder de Ellas REDEJOCA’ (Ihre Kraft REDEJOCA) aus der Region Cauca wurde ausgewählt, weil sie sich für bessere Bedingungen für Frauen in politischen und umweltbezogenen Positionen einsetzt. Zudem fördern sie Investitionen in grüne und landwirtschaftliche Unternehmen, um die Ernährungssicherheit von Frauen zu stärken und gleichzeitig die Artenvielfalt zu schützen.
„Das Erwachen der Frauen hat in unserem Land erst vor ein paar Jahren begonnen“, sagt Sandra Aguilar, Sprecherin von REDEJOCA. Dank des Projekts haben 61 Frauen in drei Gemeinden im Norden von Cauca die Möglichkeit bekommen, Bohnen, Maracujas, Tomaten und andere Lebensmittel anzubauen – sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Verkauf. Einige Frauen konnten auch mit der Schweine- und Hühnerhaltung beginnen. Aguilar betont, dass die Auswirkungen über die Teilnehmerinnen hinausgehen: „Die Frauen beziehen ihre Kinder und Verwandten mit ein.“ Positiv bewertet sie auch, dass mittlerweile sogar Männer Interesse zeigen und sich im Namen der Frauen engagieren.
Neben der Landwirtschaft stellen die Teilnehmerinnen umweltfreundliche Taschen aus Recyclingmaterial her, tauschen Wissen über medizinische Pflanzen aus und schaffen insgesamt einen „Raum der Stärkung“. Ziel ist es, Frauen zu zeigen, dass sie nicht abgelehnt werden, wenn sie für sich einstehen. Aguilar erklärt: „Viele waren am Anfang sehr unsicher.“ Doch durch die Vernetzung mit Frauen unterschiedlicher Altersgruppen und Hintergründe wächst das Selbstbewusstsein, und die Teilnehmerinnen erkennen, dass sie politisch aktiv werden und sich selbst versorgen können.
Der Weg in die Politik
Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, Frauen zu ermutigen, sich aktiv an politischen Prozessen und Wahlen zu beteiligen. Besonders in ländlichen und konservativen Regionen stoßen Frauen, die Führungsrollen übernehmen möchten, auf Widerstand. Aguilar berichtet, dass sie als Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft auf zahlreiche Konflikte gestoßen sei. „Männer sagten mir oft, ich solle schweigen, weil ich angeblich nicht wisse, wovon ich spreche“, erzählt sie. Die Ablehnung sei besonders stark, weil sie eine junge, schwarze Frau sei. Solche Erfahrungen verdeutlichen die tief verwurzelten Vorurteile, die Frauen vom politischen Engagement abhalten.
Das Projekt setzt darauf, diese Barrieren zu überwinden, indem Frauen gestärkt und ermutigt werden, ihre Stimme zu erheben. Ziel ist es, gesellschaftliche Strukturen zu verändern, die Frauen bislang benachteiligen, und eine gerechtere, inklusivere politische Landschaft zu schaffen.
Sara Meyer