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Hass­re­de fällt nicht unter Mei­nungs­frei­heit

Hass­rede nimmt vor al­lem in Netz zu. Wo muss man an­setzen, um dem zu be­geg­nen und wel­che Rol­le spie­len dabei die Vereinten Nationen?

Eine Statue in Form einer Flamme erinnert an den Genozid in Ruanda.
Die Kwibuka-Flamme erinnert an den Genozid in Ruanda im Jahr 1994. Jahrelang wurden zuvor unter anderem durch Hassrede die Spannungen verschärft. (UN Photo/Manuel Elías)

„Gegen Hass­reden vorzugehen, bedeutet nicht, die Rede­freiheit einzu­schränken oder zu verbieten. Es bedeutet, Hass­rede davon abzu­halten, zu etwas Gefähr­licherem zu eskalieren, insbesondere zur Anstiftung zu Diskri­minierung, Feindse­ligkeit und Gewalt, was nach internatio­nalem Recht verboten ist", betonte António Guterres, UN-Ge­neral­sekretär, im Mai 2019. Die derzeitige Zunahme von Natio­nalismus und Po­pulis­mus befeuert eine Rhetorik, die oft rassistisch, aus­gren­zend und menschen­feindlich ist. Bild­basierte Belästigung, Fake News, Des­infor­mation, Propaganda sowie Rassismus in der digitalen Welt sind zu einem stetig wachsenden gesell­schaft­lichen Problem geworden Dabei zeigt sich ein beun­ruhi­gen­der Trend: dass dis­kriminierende Praktiken und Stereotype insbesondere online verstärkt und ins realen Leben weiterge­tragen werden. 

Die sozialen Medien, die zunehmend als Platt­formen für schädliche Äußerungen dienen, haben die Verbreitung von Hassrede vereinfacht und verstärkt. So wurden während der COVID-19-Pan­demie Minder­heiten wie asiatisch gelesene Personen und Roma häufig zur Ziel­scheibe ras­sis­tischer Hass­reden. Die Folge war nicht nur die Verbreitung schädlicher Klischees, sondern auch reale Angriffe auf Ange­hörige dieser Gruppen.

Schnel­ler, aber un­nuancier­ter In­for­ma­tion­saus­tausch 

Durch die neuen Kom­muni­ka­tions­tech­no­lo­gien ist die Welt global noch intensiver verbunden und Inhalte können binnen Sekunden verbreitet werden. Dies ist auch einer der Mecha­nismen, die dem Hass und Rassismus zugrunde liegen. Eine mangelnde und fehlende Toleranz für die Mehr­deutigkeit eines Sachverhaltes - die Unfähigkeit beziehungsweise der Unwille, mehrdeutige oder widersprüchliche Informationen und Situationen zu tolerieren, leisten ihr übriges. Es verstärkt das Bedürfnis, die Welt in einfache Kategorien einzuteilen, sich nicht mit den Vorurteilen und rassistischen Haltungen, die durch Hassrede reproduziert und verbreitet werden, aus­einander­zusetzen. Und genau auf diesen Mangel an Toleranz zielen populis­tische Personen und Parteien ab. 

Ziel ist es, mit Hass-Kam­pagnen (auch in Kom­mentar­spalten) den Eindruck zu erwecken, die Hetze stelle ein verbreitetes Meinungsbild dar, dass also die Debatte eine gesell­schaft­liche Stimmung abbilde. Die reale Meinung der Mehrheit kommt oft nicht zum Ausdruck, denn die Meinung einer kleinen Minderheit stellt sich durch die einfache Verbreitung im Netz als Meinung der Mehrheit dar. Doch der Hass dringt dadurch zunehmend in den Mainstream vor - in liberalen Demokratien ebenso wie in autoritären Systemen. 

Hass­rede: De­fini­tion und in­ter­na­tio­na­le Re­le­vanz

Die UN setzen sich aktiv gegen Hass, Diskriminierung und Ungleichheit ein. Dies ist in der UN-Charta und im inter­nationalen Menschen­rechts­rahmen verankert. Im Mai 2019 wurde eine Strategie und ein Aktionsplan zu Hassrede (UN Strategy and Plan of Action on Hate Speech) vorgestellt, um der globalen Zunahme von Hass, Fremden­feind­lichkeit und Rassismus ent­ge­gen­zu­wirken, insbesondere in sozialen Medien.

Es gibt keine einheitliche internationale Definition von Hassrede. Im UN-Aktions­plan wird der Begriff Hassrede als jede Art von Kommunikation in Wort, Schrift oder Verhalten verstanden, die eine Person oder eine Gruppe aufgrund ihrer Person angreift oder eine abwertende oder diskrimi­nierende Sprache verwendet aufgrund ras­sistischer Zuschrei­bungen oder der Religion, Ethnizität, Nationalität, Hautfarbe, Abstammung, Geschlechts oder anderer iden­titäts­bezogene Faktoren der Person.

Der Rabat-Ak­tions­plan der Verein­ten Nationen, der im Oktober 2012 verabschiedet wurde, ist ein inter­nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von nationa­listischem, rassistischen oder religiösem Hass. Er setzt hohe Maßstäbe für die Ein­schrän­kung der Meinungs­freiheit und legt konkrete Kriterien fest, wann staatliche Ein­däm­mungs­strate­gien in der Praxis gerecht­fertigt sind. 

Durch die Verankerung der Debatte in den inter­natio­nalen Menschen­rechtsnormen wurde ein dreifaches Ziel verfolgt: ein besseres Verständnis der Gesetz­gebung, Recht­sprechung und Politik in Bezug auf den Begriff der Anstiftung zu Hass zu erlangen und gleichzeitig die un­einge­schränkte Achtung des Rechts auf freie Mei­nungs­äußerung gemäß Artikel 19 und 20 des Inter­natio­nalen Pakts über bürgerliche und poli­tische Rechte (ICCPR) zu gewährleisten; eine umfassende Bewertung des Um­setzungs­stands des Verbots von Verhetzung im Einklang mit den inter­natio­nalen Men­schen­rechts­nor­men vorzu­nehmen und die Ermittlung möglicher Maßnahmen auf allen Ebenen.

Deut­sche Rechtslage: Bedeu­tung und Ziel­set­zung

In den Jahren 2017 und 2021 wurden in Deutschland Gesetze zur Bekämpfung von Hass­rede im Netz erlassen, darunter das Netz­werk­durch­set­zungs­gesetz (NetzDG), das 2024 vom Digi­tale-Diens­te-Gesetz größten­teils abgelöst wurde. Der §130 (Volks­verhet­zung) des Straf­gesetz­buches wurde zusätzlich erweitert, um Rassismus und Fremden­feindlichkeit straf­rechtlich zu verfolgen. Ende 2022 verabschiedete die EU den 'Digital Services Act', der im Mai 2024 in Deutschland als „Digi­tale-Dienste-Gesetz“ in Kraft tritt. Dieses Gesetz zielt darauf ab, große On­line­plattformen (wie Facebook, TikTok, X, Instagram, Youtube) besser zu regulieren. 

Im Zentrum stehen ebenfalls Des­infor­mation, Fake News und Willkür, die Hass und Hassrede im Netz befördern. Es ist nicht möglich, voraus­zuahnen, was Al­gorith­men auf den Platt­formen hochspülen und welche Meinungen oder Ausdrucks­formen gezeigt werden. Diese Intrans­parenz erweist sich für die öffentliche Mei­nungs­bildung in einer Demokratie als ein gravierendes Problem. On­line­platt­formen verdienen unter anderem Geld an Werbung, indem KI-Al­gorith­men verstärkt Inhalte zeigen können, die polarisierend, falsch, diskriminierend oder hetzerisch sind. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass gesetz­liche Regulierungen insbesondere notwendig sind, weil Online-Platt­formen mit hetzerischen Inhalten so letztlich auch die demo­kratische Meinungs­bildung prägen. Gegen rechts­widrige Online-Inhalte muss daher entschlossen, gleichzeitig jedoch auch angemessen vorgegangen werden.

Re­gu­lie­rung und Un­ter­bin­dung von Hass­rede: Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit? 

Die Heraus­forderung im Umgang mit Hassrede liegt oft im Span­nungs­feld zur Meinungs­freiheit. Die Meinungs­freiheit ist ein grund­legendes Menschenrecht und eine Voraus­setzung für demokratische Gesell­schaften. 

Doch gesetzliche Maß­nahmen gegen Hassrede zielen nicht darauf ab, freie Mei­nungs­äußerung zu unterdrücken, Meinungen zu löschen oder Zensur­behörden zu schaffen, sondern die öffentliche Sicherheit und den Schutz von Minder­heiten und weiteren Ziel­gruppen zu gewähr­leisten. 

Die Abgrenzung zwischen freier Meinungs­äußerung und der Verbreitung zu Anstiftung zu Diskrimi­nierung, Hass und Drohung erfordert eine sorgfältige Prüfung. Die Mei­nungs­äuße­rungs­frei­heit deckt auch beleidigende Äußerungen ab, die zwar die Ehre der Betroffenen verletzen, aber noch nicht unter Hassrede fallen. 

Schutz vor Hassrede ist mehr ist als ein Schutz vor verbalen Attacken. Er zielt darauf ab, die Eskalation in physische Gewalt zu verhindern und die Grund­pfeiler einer freien und gerechten Gesell­schaft zu wahren. Die Umsetzung gesetzlicher Maß­nahmen, die Rah­men­bedingungen für mehr Transparenz und Verant­wortlich­keit von Online-Platt­formen schaffen, stellt sicher, dass Meinungs­frei­heit und Sicherheit gemeinsam bestehen können - ohne die Rechte und den Schutz jedes Einzelnen, insbesondere der vulnerablen Gruppen, zu vernach­lässigen.

Marian Luca

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