Globale Pressefreiheit im Niedergang
Basierend auf globalen Studien im Zeitraum von 2016 bis 2020 zeichnet der Bericht „Journalism is a Public Good“ ein alarmierendes Bild: Weltweit sieht sich unabhängige Medienberichterstattung Einschränkungen und Bedrohungen ausgesetzt, die durch die Covid-19-Pandemie noch verschärft wurden. Gerade in Zeiten der Krise zeigte sich die Bedeutung einer unabhängigen und verlässlichen Berichterstattung für das gesellschaftliche Gemeinwohl. Die Pandemie brachte außerdem nicht nur eine Reihe neuer Probleme – wie gezielte Desinformationskampagnen – sondern verschärfte zugleich die ökonomischen Schwierigkeiten, mit denen Medienschaffende im Zeitalter der digitalen Transformation zu kämpfen haben.
Wirtschaftlicher und digitaler Umbruch: Wenig gewonnen, viel verloren
1991 ging aus einem UNESCO-Seminar die Erklärung von Windhuk zur Förderung einer unabhängigen und pluralistischen afrikanischen Presse hervor, die Pressefreiheit zum Eckstein für wirtschaftliche Entwicklung und Demokratie erklärt. Im Geiste der globalen Aufbruchsstimmung und Demokratiebewegungen der frühen 1990er-Jahre folgte ein Aufblühen der Medienlandschaft, besonders ausgeprägt in Afrika. Der vorliegende UNESCO-Bericht stellt allerdings fest, dass Reformen der letzten Jahrzehnte den vielschichtigen Anforderungen für eine freie Presse nicht gerecht werden konnten.
Deutlich wird das unter anderem dadurch, dass sich unabhängiger Journalismus kaum noch eigenständig finanzieren lässt. Das klassische Finanzierungsmodell durch Werbung in Zeitungen, Radio und Fernsehen wurde durch das Internet auf den Kopf gestellt: Für Unternehmen ist es oft wirtschaftlicher, Werbung auf Online-Plattformen gezielt auszuspielen, als sich auf vergleichsweise kleine Bezugsgruppen einzelner Medien zu konzentrieren.
Enorme Marktkonzentration ist die Folge: Zwei Unternehmen – Meta und Google – vereinen heute fast die Hälfte der globalen Ausgaben für Werbeanzeigen bei sich. Die Einnahmen von Zeitungen gingen in den letzten fünf Jahren weltweit um die Hälfte zurück. Zugleich konsumiert ein größer werdender Teil der Weltbevölkerung Nachrichten über Social-Media-Plattformen. Oft bleiben Plattformbetreiber intransparent, welche Nachrichten aus welchen Gründen besonders gestreut werden und Falschinformationen scheinen sich über Soziale Medien besonders schnell auszubreiten. Dem massiven Zuwachs von Medieninhalten im Internet steht somit ein Rückgang von unabhängigen, faktengestützten Nachrichten gegenüber.
Ungleiche Folgen: Der globale Süden
Die Folgen sind von globalen Ungleichheiten geprägt. Während Medienschaffende im globalen Norden größeren Spielraum bei der Anpassung ihres Geschäftsmodells genießen, verbreiten sich im globalen Süden sogenannte ‚Informationswüsten‘: Das Aussterben kommunaler und regionaler Nachrichten-Redaktionen. Zugleich bedeutet mangelnde finanzielle Unabhängigkeit ein Risiko für ‚media capture‘, also der Einflussnahme auf Nachrichteninhalte. Investigativer Journalismus und unabhängige Berichterstattung, die nachgewiesenermaßen ein effektives Mittel gegen Korruption und zunehmend aggressive Desinformationskampagnen sind, geraten so ins Hintertreffen.
Nicht zuletzt betont der Bericht die globale Ungleichheit des Zugangs zum Internet, der ‚digital divide‘. Beschränkungen entstehen außerdem durch Abonnement-Modelle. Denn wo öffentliche Finanzierung abnimmt und sich der Konsum von Medien ins Internet verlagert, müssen Medienhäuser ihre Inhalte digital zugänglich machen, kommerzialisieren und zugleich Kosten sparen. Der UNESCO-Bericht zeigt, dass dies weltweit zu Entlassungen oder prekären Arbeitsverhältnissen führt. Letztlich wirkt sich das auf journalistische Standards und Unabhängigkeit aus.
Journalismus bleibt gefährlicher Beruf
Alarmierend ist auch das Ausmaß der Gewalt: Der UNESCO-Bericht verzeichnet 455 Journalistinnen und Journalisten, die in den letzten fünf Jahren getötet wurden. Besorgniserregend ist vor allem die Zunahme der gezielten Morde, wie dem an Jamal Khashoggi im Jahr 2018. Asien, Lateinamerika und die Karibik sind die Regionen mit den häufigsten tödlichen Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Morde ungestraft blieben. Dass Verbrechen in den betreffenden Ländern generell häufiger straflos bleiben, kann der Bericht nicht feststellen. Das unterstreicht die gezielte Absicht, unliebsame Berichterstattung mit allen Mitteln zu verhindern.
Dass es im Vergleich zu den Jahren vor 2016 zu weniger Tötungen von Medienschaffenden kam, ist kaum Anlass für Optimismus. Schließlich gibt es eine große Bandbreite von Bedrohungen gegenüber Journalisten. So erreichten willkürliche Inhaftierungen im Jahr 2020 ein Rekordhoch, wie Zahlen des Komitees zum Schutz von Journalisten bestätigen. 67 Prozent der Betroffenen wurden wegen ‚anti-staatlicher‘ Berichterstattung verhaftet, 12 Prozent wegen des Vorwurfs der Verbreitung von ‚fake news‘ – nicht zuletzt im Kontext staatlicher Zensur während der Pandemie.
Der Bericht zeigt auch, dass die Länder, die eine höhere Zahl von Journalistenmorden verzeichnen, in der Regel eine niedrige Zahl von Inhaftierungen melden und umgekehrt. Mehr als die Hälfte der willkürlichen Inhaftierungen fanden in nur fünf Ländern statt, darunter Saudi-Arabien, Ägypten und Vietnam. Den traurigen Rekord hält China, das im Ranking der Pressefreiheit von Reportern ohne Grenzen Platz 175 von 180 belegt.
Erneuter Aufschwung für die Stärkung globaler Pressefreiheit?
Das Bild, das der UNESCO-Bericht über die Lage der weltweiten Pressefreiheit zeichnet, ist ernüchternd. Auch wenn die Bedeutung unabhängiger, pluralistischer und nachhaltiger Medien immer wieder öffentlich betont wird, ist dieses öffentliche Gut an allen Fronten bedroht. Vorsichtigen Optimismus ziehen die Autorinnen und Autoren aus der Entschlossenheit, mit denen sich Medienschaffende und sie unterstützende Organisationen für eine freie Berichterstattung einsetzen.
Weiterhin geben zahlreiche internationale Abkommen und Erklärungen den Weg vor, darunter eine Resolution des Menschenrechtsrates sowie die kürzlichen UNESCO-Erklärungen von Windhuk+30 und Punta del Este. Weltweite anti-demokratische und autoritäre Tendenzen schaffen allerdings ein politisches Klima, das die Umsetzung der festgehaltenen Prinzipien unwahrscheinlich erscheinen lässt. Umso wichtiger ist es, dass demokratische Gesellschaften ihre Unterstützung für und den Schutz von Journalistinnen und Journalisten weltweit ausbauen.
Von Wasil Schauseil