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Ernten ohne Gerechtigkeit: Geschlechter­diskriminierung in der Landwirtschaft

Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben sind bis heute nicht gleichberechtigt. Ursachen liegen vor allem in Normen. Sie führen dazu, dass Landwirtinnen ökonomisch benachteiligt sind. Der schwer zu durchbrechende Kreislauf stellt nicht nur aus menschenrechtlicher Sicht ein Problem dar.

Eine Frau arbeitet mit einer Hacke, ein Mann steht daneben und schaut in die Ferne, im Hintergrund sind Berge zu sehen.
Landwirtschaft in Vietnam. (UN Photo/Kibae Park)

Um die spezifische Benachteiligung von Landwirtinnen und ihre global­gesellschaftlichen Folgen besser zu verstehen, tragen die UN, besonders die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations - FAO), beständig Daten zusammen.

Diese zeigen auf, dass besonders diskriminierende gesellschaftliche und kulturelle Strukturen Frauen von selbstbestimmtem Handeln im Agrar- und Ernährungssektor ausschließen. Das schlägt sich vielfältig nieder, vor allem in ungleicher Verantwortung für unbezahlte Haus- und Care-Arbeit, mangelnden Ausbildungs­möglichkeiten für Mädchen und Frauen sowie, damit oft in Verbindung stehend, begrenztem Zugang zu Informationen. All dies schränkt die finanzielle und intellektuelle Selbstbestimmung von Bäuerinnen so stark ein, dass sie einen klaren Marktnachteil haben: Sie können an prägenden Entscheidungsprozessen ihrer eigenen Branche nur bedingt teilnehmen und verfügen darüber hinaus im Vergleich über geringere finanzielle Mittel.

Wie Landwirtinnen benachteiligt werden

Das durchschnittliche Profil von weiblich geführten Landwirtschafts­betrieben unterscheidet sich wesentlich von dem der männlich geführten: Sie haben weniger Mitglieder und die Frauen erhielten vorab weniger schulische und berufliche Bildung. Der Anteil bewirtschafteter Fläche, die nachweislich ihnen gehört, ist im Vergleich kleiner, ebenso wie ihre gesamte Anbaufläche und auch ihr Tierbestand. Weil sie so geringere Umsätze machen, können sie weniger in ihre Betriebe investieren. 

Der Bericht ‚Unjust Climate‘ (dt.: Ungerechtes Klima) der FAO stellt außerdem einen Zusammenhang zwischen Landwirtinnen und mit dem Klimawandel häufiger werdendem Extremwetter fest: So engagieren sich Frauen unter belastenden Wetterbedingungen wie Dürre oder Überschwemmung mehr im Haushalt, was wiederum Verdiensteinbußen begünstigt. 

Weiblich geführte Betriebe, die regelmäßig starken Hitzeperioden ausgesetzt sind, machen jährlich 8 Prozent weniger Umsatz als männlich geführte Betriebe, Überflutungen drücken im Vergleich den Umsatz von Landwirtinnen um 3 Prozent. Zählt man die Arbeit für den Haushalt und den landwirtschaftlichen Betrieb zusammen, arbeiten Landwirtinnen mehr Wochenstunden als Männer und sind bei gleicher Stundenzahl effizienter. Haben sie die Möglichkeit, so investieren Landwirtinnen statistisch mehr Geld in ihre Betriebe als Landwirte.

Wo Geschlechtergerechtigkeit (im Er­nährungs- und Land­wirt­schafts­sektor) nicht gegeben ist

Auch wenn überall auf der Welt strukturelle und kulturelle Diskriminierung von Mädchen und Frauen zu finden ist, so gibt es einige Kernregionen, in denen die Zahlen besonders hoch sind. Dazu gehören laut Datenlage eines FAO-Berichts von 2024 Teile des Nahen und Mittleren Ostens und Südasiens. In vielen afrikanischen Ländern wurden großflächig keine Daten erhoben. Der Bericht zeigt außerdem, dass Diskriminierung zwischen den einzelnen afrikanischen Ländern, für die Daten vorhanden sind, besonders stark variiert. 

Dennoch gibt es auf dem afrikanischen Kontinent auch sehr positive Entwicklungen: Die Mehrheit der Bevölkerung in Nordafrika und Subsahara-Afrika spricht sich ausdrücklich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus, wenn es um den Besitz und die Vererbung von Land geht. Afrikanische Staaten südlich der Sahara beziehen außerdem öfter als Staaten anderer Weltregionen Geschlechtergerechtigkeit in ihre agrar­politischen Strategieplänen mit ein. Dagegen weisen die politischen Maßnahmen und Haushalte südamerikanischer und speziell ostafrikanischer Länder deutlich größere Lücken hinsichtlich der Geschlechter­gerechtigkeit auf.

In der Praxis verankerte Lö­sungs­an­sätze

In gesellschaftlichen Wertesystemen, die immer auch ihre Geschlechterrollen bestimmen, kostet es Zeit und Mühe, Strukturen zu verändern. Diese sind jedoch die Wurzeln für systematische Benachteiligung von Mädchen und Frauen. Und weil auch arbeitende Frauen vielerorts nicht als mündige Akteure der Bevölkerung vorgesehen sind, sind Landwirtinnen Barrieren ausgesetzt.

Auch wenn letztere häufig zu groß sind, um von innen heraus die Geschlechtergerechtigkeit massiv stärken zu können, so gibt es doch Lösungsansätze. Eine Studie der FAO kommt zu dem Schluss, dass die Souveränität weiblicher Landwirte am effektivsten instrumentell gestärkt wird. In der Praxis bedeutet das, Bäuerinnen Zugang zu relevanten (politischen) Veranstaltungen, finanziellen Mitteln, inklusive deren Verwaltung, sowie zu Land zu ermöglichen und zu erleichtern. 

Viele Länder des Globalen Südens haben an der Stärkung von Frauenrechten und der gesellschaftlichen Mitwirkungsmöglichkeit von Frauen ein gesteigertes Interesse - sonst wären überhaupt keine aussagekräftigen Daten über Interventionsmöglichkeiten erhoben worden.

Diskurs versus Umsetzung

Nicht von selbst führt ein besseres Verständnis der Hürden auf dem Weg zu Geschlechter­gerechtigkeit schließlich zu einer Veränderung. Die FAO kritisiert ein Missverhältnis zwischen tatsächlich stattfindenden Diskursen über die Benachteiligung von Landwirtinnen und tatsächlichen Verbesserungsmaßnahmen. Diese Schere ist zwar nicht überall gleich groß, für eine selbstbestimmtere Situation von Landwirtinnen allerdings sehr wichtig. Das legen Berichte und Studien der FAO nahe, denn Kommunikation ist Vorläufer praktischer Unterstützung.

Erst das Interesse an der Situation von Frauen in der Landwirtschaft führt zu Fragen nach praktischen Hindernissen. Lebhafte Debatten und proaktive Förderung sind für die Gleichstellung also gleichermaßen unverzichtbar. 

Dass Hilfsprogramme von NGOs und Regierungen zur Beseitigung dieser Barrieren beitragen, kann und soll die Stellung von Landwirtinnen verbessern. Aus menschenrechtlicher Sicht ist das dringend notwendig, aus Sicht des Klimaschutzes ebenso. Denn die Fähigkeit von Menschen, sich den Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, hängt stark davon ab, ob sie wirtschaftlich selbstständig und generell selbstbestimmt handeln können. Geschlechtergerechtigkeit fördert die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels folglich auf mehreren Ebenen: Neben verbesserten Wertschöpfungsketten im Ernährungs- und Landwirtschaftssektor und damit stärkerer Ernährungssicherheit wird ebenso die Resilienz von Gesellschaften in ländlichen Gebieten gefördert. All das wird weltweit gebraucht.

Mona Holy

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