Staatenlos unter Nationalstaaten
Auf Grundlage des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 gilt eine Person als staatenlos, wenn sie kein Staat auf Grund seiner Gesetzgebung als Staatsangehörige*n anerkennt. Diese Definition zeigt damit auch eine der Hauptursachen für Staatenlosigkeit auf, die in der jeweiligen nationalen Gesetzgebung zu suchen ist.
Ursachen für Staatenlosigkeit
Die Ursachen für Staatenlosigkeit sind vielfältig. In den meisten Ländern dieser Welt wird Staatszugehörigkeit durch die Geburt erworben, entweder, indem Eltern ihre Staatszugehörigkeit auf ihre Kinder übertragen können oder indem Kinder automatisch die Staatszugehörigkeit des Landes erhalten, in dem sie geboren wurden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kinder deren Eltern unbekannt sind, dann in Ländern, in denen Staatszugehörigkeit über Abstammung geregelt wird, von der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen werden. Zudem ist es Frauen in 27 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen nicht gestattet, ihre Staatszugehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Bei Abwesenheit eines Vaters fallen dann auch diese Kinder nicht in den gesetzlichen Rahmen, der Staatsangehörigkeit bestimmt. In anderen Fällen muss Staatsangehörigkeit aktiv, z. B. in einem Antragsverfahren erworben werden. Auch in Konfliktsituationen, wenn Grenzen oder Staaten sich ändern bzw. neu geschaffen werden, kann Staatsangehörigkeit bedroht sein. Menschen müssen dann die Zugehörigkeit zum neuen Staat beweisen oder sie wird aufgrund diskriminierender Gesetzgebung nur bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen zugesprochen, so wie es mit den Bedun in Kuwait der Fall ist. In manchen Staaten können Bürger*innen ihre Staatszugehörigkeit auch verlieren, wenn sie lange Zeit außerhalb des Landes gewohnt haben. Sie wird Ihnen illegitimerweise aber auch entzogen wenn, wie es erst kürzlich in mehreren Fällen in Bahrain bekannt wurde, sie vermeintliche „Sicherheitsrisiken“ darstellen.
Folgen von Staatenlosigkeit
Staatszugehörigkeit wird von denen, die sie besitzen häufig als selbstverständlich angenommen, weshalb ihre Bedeutung und Konsequenzen meist nicht bewusst wahrgenommen werden. In einer Welt, die von Nationalstaatlichkeit geprägt ist und in der Nationalstaaten in erster Instanz für die Rechte ihrer Bürger*innen zuständig sind, beschreibt die Staatsangehörigkeit aber das Tor zu allen weiteren Menschenrechten und ihrer Durchsetzung. Menschen, die staatenlos sind, sind in der Regel nicht im Besitz eines gültigen Ausweisdokumentes, das wiederum für eine Vielzahl staatlicher und privater Dienstleistungen entweder als Beweis für den Anspruch, als Zugangsberechtigung oder Garantie verlangt wird. Es ist dann nicht möglich, ein Konto zu eröffnen, eine Wohnung anzumieten, sich an der Uni einzuschreiben oder kontrollierte Grenzen zu passieren, um nur einige alltägliche Herausforderungen zu nennen. In einem Bericht des UNHCR aus dem Jahr 2015, in dem staatenlose Kinder und Jugendliche selbst zu Wort kommen, werden neben diesen unmittelbaren Auswirkungen auch die belastenden psychologischen Folgen angesprochen. Ihr fehlender rechtlicher Status als Staatsangehörige führt dazu, dass sie zu Außenseiter*innen einer Gesellschaft werden oder gar als „unsichtbar“ gelten.
Internationaler rechtlicher Rahmen
Eigentlich sollten diese Praktiken nicht mehr vorkommen. Zwei internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen setzen sich mit den Rechten von Staatenlosen auseinander. Zum einen das bereits genannte Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954, das Mindeststandards im Umgang mit Staatenlosen in Bezug auf Bildung, Arbeit und ihren (verwaltungs-)rechtlichen Status festlegt. Zum anderen das Übereinkommen zur Verhinderung von Staatenlosigkeit aus dem Jahr 1961 dessen Ziel es ist, Staatenlosigkeit zu vermeiden und sie damit über die Zeit zu eliminieren. Dieses Übereinkommen wird auch als konkreter Rahmen für das Recht jeder Person auf eine Staatszugehörigkeit gesehen und fordert die Mitgliedsstaaten dazu auf, Schutzmaßnahmen zu etablieren, um Staatenlosigkeit zu verhindern. Dies kann beispielsweise bedeuten, ein Gesetz zu verabschieden, das Kindern automatisch die Staatszugehörigkeit des Landes zuweist, in dem sie geboren werden – sofern sie keine andere erlangen. Bis Mai 2016 sind dem Übereinkommen von 1961 aber erst 66 Staaten beigetreten. Aus diesem Grund hat der UNHCR schon im November 2014 eine ambitionierte Kampagne zur Beendigung von Staatenlosigkeit bis zum Jahr 2024 gestartet.
Kampagne zur Beendigung von Staatenlosigkeit
Unter dem Titel „I Belong“ ruft der UNHCR dazu auf, staatenlosen Menschen zu Sichtbarkeit und ultimativ zur amtlich und dokumentarisch ausgewiesenen, staatlichen Zugehörigkeit zu verhelfen. Daneben soll neuen Fällen von Staatenlosigkeit vorgebeugt und die Identifizierung und der Schutz von staatenlosen Gruppen verbessert werden. Dabei soll ein globaler Aktionsplan helfen, der in zehn Punkten Ursachen und Folgen adressiert. Unter anderem soll die Datenlage zu staatenlosen Teilen der Bevölkerung verbessert werden, um konkreter und effizienter Hilfe leisten zu können, gender-diskriminierende Gesetzgebungen abgeschafft und eine konsequente Registrierung von Geburten sicher gestellt werden.
In Zusammenarbeit mit der thailändischen Regierung konnten in der Erfüllung des Kampagnenziels bereits erste, kleine Fortschritte erzielt werden. Im Dezember 2015 hat die thailändische Regierung bekannt gegeben, über einen Zeitraum von drei Jahren mehr als 18.000 staatenlosen Menschen die Staatsbürgerschaft zuerkannt zu haben. Da von den weltweit ca. 10 Millionen Staatenlosen mehr als 40% in Asien leben, erhofft sich der UNCHR von diesem Schritt positive Impulse für die umliegenden Mitgliedsstaaten dieser Region.
Lesen Sie mehr zur Arbeit des UNHCR auf unserem neuen DGVN-Themenschwerpunkt zu Flucht und Asyl.
Claudia Jach