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Schutz von Journalisten und Journalistinnen: Deutschland übernimmt Vorreiterrolle

Am 22. September wurde Shantanu Bhowmick während einer Demonstration getötet. Er ist einer von dreizehn Journalist*innen, die seit Anfang August 2017 ermordet wurden und einer von 867 Getöteten seit 2006. Dies zeigt: Journalist*innen brauchen mehr Schutz.

Ein junger Mann sitzt vor einer blauen Metallgitterbarriere alleine und liest gedankenverloren die Zeitung.
Bürger und Bürgerinnen die sich frei informieren können, sind das Fundament einer Demokratie. Hierfür braucht es Berichterstattung und den Schutz derer, die sie betreiben (UN Photo/Martine Perret)

Nach zahlreichen UN-Initiativen war es nun der 18. Deutsche Bundestag, der in Kooperation mit der Zivilgesellschaft, konkretere Schutzmaßnahmen forderte und vorschlug einen Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalist*innen einzusetzen. Damit nimmt er international eine Vorreiterrolle ein. Nun wird es an der neuen Bundesregierung liegen, für das Vorhaben bei den anderen Mitgliedsstaaten zu werben und sich an der Umsetzung zu beteiligen.

Vor Shantanu Bhowmick wurden allein im August 2017 Khaled Alkhateb, Osama N. al-Zoabi und Bassel K. Safadi in Syrien, Harb H. al-Dulaimi und Soudad al-Douri im Irak, Luciano R. Salgado und Cándido R. Vázquez in Mexiko, Christopher Allen im Südsudan und Leo Diaz sowie Rudy Alicaway auf den Philippinen getötet. Das sind zumindest die offiziellen Angaben. Die Zahl der Morde und tätlichen Angriffe auf Journalist*innen sammelt das Generalsekretariat der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im Auftrag der Staatengemeinschaft seit 1993. Es verurteilte seit dem jeden einzelnen der insgesamt 1.118 Fälle (RES 29). Die UNESCO betont dabei aber auch, dass die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Die Dunkelziffer dürfte also weit höher liegen.

Im Durchschnitt, so die UNESCO, wird alle fünf Tage ein Journalist oder eine Journalistin dafür ermordet, dass sie ihrer Arbeit nachgehen. Lokaljournalist*innen zählen zu der Gruppe der am meisten gefährdeten. Dabei sterben sie nicht nur in Krisen- oder Kriegsregionen. Laut Reporter ohne Grenzen starben 2015 zwei Drittel aller getöteten Journalist*innen in friedlichen Gebieten. Fakt ist, dass sie täglich und weltweit Opfer von Angriffen werden, die von Einschüchterungsversuchen, Belästigungen und willkürlichen Verhaftungen sowie Inhaftierungen über Entführungen bis hin zu Mord reichen. Zum Täterkreis gehören ebenso Kriminelle wie Sicherheitskräfte und Milizen.

Zu sehen ist eine Journalistin die mit einem Selfiestick einen Live-Beitrag erstellt und sich dabei selbst filmt. Im Hintergrund steht eine fotgrafierende Person am Fenster.
Auch die Berichterstattung von den Vereinten Nationen in New York ist elementar. Hier produziert eine argentinische Journalistin einen Live-Beitrag. New York, 2017. (UN Photo/Ariana Lindquist)

Zahlreiche UN-Initiativen zum Schutz von Journalist*innen

Journalisten und Journalistinnen sind oft die ersten, die über lokale Missstände bis hin zu Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit berichten. Dadurch, dass sie Informationen beschaffen und teilen, fördern sie das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, welches ein grundlegendes Freiheitsrecht (Zivilpakt: Art. 19) und einer der Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft ist.

Wenn es bisher an etwas nicht mangelte, dann an vielen Resolutionen und Initiativen auf der Ebene der Vereinten Nationen, die den Schutz von Journalist*innen forderten. Eine Auswahl bestätigt dies: Der Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 2222 (2015) und 1738 (2006), die Generalversammlung A/RES/69/185 (2015) 68/163 (2014) und zuletzt 70/162 in 2016. Ebenso tat dies der Menschenrechtsrat in seinen Beschlüssen A/HRC/27L.7 (September 2014), 26/13 (Juni 2014) sowie 21/12 (September 2012). Die Resolutionen sind sich dabei sehr ähnlich. Sie verurteilen Gewalt gegen Berichterstatter*innen, fordern den Ausbau bestehender oder den Aufbau nationaler Schutzmechanismen und die Stärkung internationaler Kooperation sowie die Anstrengungen der Vereinten Nationen zu intensivieren und betonen, sich weiter mit der Thematik beschäftigen zu wollen.

Aktionspläne, Konferenzen und Erklärungen

Doch hier endeten die bisherigen Bemühungen keineswegs. Der Menschenrechsrat widmete sich zusätzlich der Ausrichtung einer Podiumsdiskussion zum Thema Sicherheit von Journalist*innen und der Frage der Straflosigkeit, die zumeist mit den Angriffen auf dieselbigen einhergeht. Straflosigkeit befeuert in diesem Kontext eine Gewaltspirale, die durch effektive Strafverfolgung und Ächtung der Gewalt dringend unterbrochen werden muss. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Commitee to Protect Journalists (CPJ) werden neun von zehn solcher Vergehen nicht strafrechtlich verfolgt. Dieser Fragestellung widmeten sich 2014 auch die mittlerweile 3. Interinstitutionelle Tagung der Vereinten Nationen zum Thema und der entsprechende Aktionsplan der Vereinten Nationen von 2012.

Schon 2007 unterzeichneten die teilnehmenden Staaten der UNESCO Konferenz in Kolumbien die Erklärung von Medellin. Auch sie widmete sich dem Schutz von Journalist*innen. Zusätzlich gibt es die UNESCO-Initiative Safety of Journalists, welche unter anderem die Zahl der Angriffe dokumentiert. Die Initiative bündelt außerdem weitere Aktivitäten und Partner. Ein entsprechender, regelmäßig erscheinender Bericht ermöglicht einen Überblick über die Erfolge der Initiative und identifiziert weiteren Handlungsbedarf.

Zweifelsohne: Viel Sinnvolles wurde bereits beschlossen und die Mitgliedsstaaten haben starke Signale gesetzt. Die Umsetzung dieser Beschlüsse ist jedoch nicht in allen Mitgliedsstaaten oberste Priorität. Ein Blick auf die Situation von Journalist*innen beispielsweise in den USA, Polen, Ungarn oder der Türkei bzw. die Meldungen der Reporter ohne Grenzen oder CPJ belegen dies. Die Anstrengungen der Staatengemeinschaft waren bisher also nicht genügend. Zu diesem Schluss kam auch der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor dem Ende seiner Amtszeit.

Zu sehen sind zwei schwer gepanzerte Fahrzeuge und mehrer Soldaten die teilweise in Deckung hocken. Dazwischen sind zwei Journalisten. Die Straßen sind sonst verlassen.
Journalist*innen begeben sich in Gefahr um aus Konfliktgebieten zu berichten. Auch dort müssen sie geschützt werden. Hier begleiten zwei Reporter eine Armeeeinheit in Marawi, Philippinen 2017. (Foto: Dennis Jay Santos/IRIN)

Mehr Druck der Mitgliedsstaaten – Initiative des Bundestages

Der Bundestag hat nun eine Forderung von Reporter ohne Grenzen aufgegriffen und im Juli 2017 verabschiedet - in der vorletzten Sitzungswoche dieser Legislaturperiode. Die Drucksache 18/12781 fordert die scheidende Regierung dazu auf, sich bei den Vereinten Nationen für die Einrichtung eines Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalist*innen einzusetzen. Damit ist der Deutsche Bundestag das erste Parlament weltweit, das einen solchen Beauftragten fordert.

Die Hoffnung besteht, dass ein Sonderbeauftragter, je nach Ausgestaltung des Mandats, in der Lage wäre, die Umsetzung der zahlreichen Beschlüsse, Resolutionen, Erklärungen und vor allem des Aktionsplans besser zu überwachen und die Arbeit der Mitgliedsstaaten zum Schutz von Journalist*innen zu koordinieren. In Abgrenzung zur Arbeit des ehrenamtlichen Sonderberichterstatters über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung könnte er oder sie auf Mitgliedsstaaten zugehen und Fortschritte oder Optimierungsprozesse anstoßen. Sonderbeauftragte könnten sich auch direkt bei den Mitgliedsstaaten für eine juristische Aufarbeitung von Attacken gegen Journalist*innen einsetzen, eigene Recherchen tätigen oder Daten zur weltweiten Lage sammeln und anschließend den Mitgliedsstaaten in Gremien der Vereinten Nationen Bericht erstatten (weitere Funktionen eines Sonderbeauftragten).

Kritik am Vorstoß des Bundestages

Der Beschluss wird generell nicht in Frage gestellt. Kritisiert wurde jedoch, dass der Antrag erst zum Ende der Legislaturperiode kam und keine verbindlichen Zusagen zur Finanzierung der Stelle des Sonderbeauftragten macht. Ein anderer Antrag forderte eine Selbstverpflichtung Deutschlands zur teilweisen Kostenübernahme für den Fall, dass die Initiative an der Finanzierung zu scheitern drohe. Dieser Antrag wurde jedoch nicht beschlossen.

Dem Mitglied des Bundestages (MdB) Marco Wanderwitz zufolge unterstützen bereits 30 weitere Staaten das Vorhaben des Deutschen Bundestages. Nun wird es an einer neuen Bundesregierung und einem neu gewählten Parlament liegen, der Aufforderung des Deutschen Bundestages nachzukommen und sich für einen Sonderbeauftragten stark zu machen. Bei der aktuellen politischen Lage in der Türkei und in den USA scheint es möglich, dass auch eine neue Bundesregierung das Thema weiter vorantreiben wird. Oder um es in den Worten eines MdB zu  sagen: „Aus Sonntagsreden muss Montagshandeln erwachsen“, denn „Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten sind nicht nur Angriffe gegen einzelne Menschen, sondern auch auf die Kommunikationsfreiheiten demokratisch verfasster Gesellschaften“ (Drucksache 18/12781).


Prokop Bowtromiuk

Zum Weiterlesen:

Lesen Sie hier den Aktionsplan der Vereinten Nationen zum Schutz von Journalisten...

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