Junge Stimmen für Gleichstellung – Eindrücke von der CSW69

Die 69. Sitzung der Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW69) markierte in diesem Jahr den 30. Jahrestag der Beijinger Erklärung und Aktionsplattform. Darüber welche Fortschritte es seitdem gab, welche Forderungen weiterhin aktuell sind und wie aktive Jugendbeteiligung gelingen kann, sprechen die DGVN-Jugendbeobachterinnen zur CSW, Ivette und Lena, in diesem Interview.
DGVN: Welche Aufgaben habt ihr als Jugendbeobachterinnen zur CSW69?
Ivette: Als Jugendbeobachterinnen sind wir bei der 69. Sitzung der Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW69) dabei, um die Perspektive junger Menschen einzubringen. Wir verfolgen die Verhandlungen und Side-Events, tauschen uns mit Jugendbeobachter*innen, Jugenddelegierten und internationalen Akteur*innen aus und setzen uns dafür ein, dass Jugendanliegen gehört werden.
Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist auch die Berichterstattung und Öffentlichkeitsarbeit. Wir möchten zeigen, was bei der CSW passiert, warum es für junge Menschen wichtig ist und wie wir uns gemeinsam für Gendergerechtigkeit und Jugendbeteiligung einsetzen können.
Lena: Jugendpartizipation auf globaler Ebene ist entscheidend. Vereinbarungen, die in internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen getroffen werden, haben auch Auswirkungen auf das Leben junger Menschen in Deutschland und weltweit. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Perspektiven gehört werden: Wir machen unsere Anliegen in den UN-Verhandlungen sichtbar, teilen Wissen und Erfahrungen und engagieren uns für mehr Gendergerechtigkeit, lokal wie global.
DGVN: Vor 30 Jahren fand die Vierte UN-Weltfrauenkonferenz statt, auf der auch die Erklärung und Aktionsplattform von Beijing beschlossen wurden. Dies war ein bedeutender Fortschritt und gilt bis heute als das umfassendste Konzept zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Was wurde seitdem erreicht und wo seht ihr Verbesserungsbedarf?
Lena: Die Aktionsplattform von Beijing hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Frauenrechte als Menschenrechte weltweit anerkannt und auf die politische Agenda gesetzt wurden. Seitdem wurden viele Fortschritte erzielt, etwa beim Zugang zu Bildung für FLINTA[1]-Personen oder bei der Stärkung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Außerdem wurde die Plattform in regionale, rechtlich bindende Abkommen wie die Istanbul-Konvention oder das Maputo-Protokoll übersetzt, die klare Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt festlegen. Sie war auch Impulsgeberin für weitere internationale Abkommen wie die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women - CEDAW) oder die UN-Resolution 1325 ‘Frauen, Frieden und Sicherheit’.
Ivette: Allerdings hat bis heute kein einziges Land weltweit die vollständige Gleichstellung erreicht. In vielen Bereichen erleben wir sogar Rückschritte, etwa durch digitale Gewalt, von der FLINTA-Personen überproportional betroffen sind. Antifeministische und rechte Kräfte stellen mühsam erkämpfte Rechte, wie etwa reproduktive Selbstbestimmung, wieder infrage. Deshalb bleibt die Aktionsplattform von Beijing aktuell, besonders für zukünftige Generationen. Was wir brauchen, ist ein politischer Wille zur Umsetzung. Gleichstellung muss endlich konsequent und verbindlich umgesetzt werden.
DGVN: Die 69. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission ist nun vorbei: Welche Erwartungen hattet ihr vorab an die Konferenz und wurden diese erfüllt?
Ivette: Vor der CSW69 hatten wir große Erwartungen: Wir wollten erleben, wie globale Verhandlungen zu Frauenrechten ablaufen, Jugendanliegen einbringen und uns mit Jugendbeobachter*innen, Jugenddelegierten sowie Aktivist*innen aus aller Welt vernetzen. Wir hatten gehofft, dass Jugendpartizipation und Gendergerechtigkeit nicht nur erwähnt, sondern als Priorität behandelt werden. Leider mussten wir feststellen, dass viele Länder gar keine Programme zur Jugendbeteiligung haben – junge Stimmen sind in den UN-Prozessen also nicht selbstverständlich.
Lena: Rückblickend war die Konferenz inspirierend, aber auch herausfordernd. Wir haben spannende Einblicke in die Verhandlungen bekommen und gesehen, wie UN-Prozesse funktionieren. Ein Highlight war für uns, dass wir im Rahmen eines hochrangigen interaktiven Dialogs, organisiert von UN Women, auf geschlechtsspezifische Gewalt aufmerksam machen konnten. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, in der Plenarsitzung, bei der alle dabei waren, die Bedeutung von Geschlechterperspektiven in der Klimapolitik zu betonen. Solche Momente haben uns gezeigt, dass wir etwas bewegen können – aber auch, dass es weiterhin viel Einsatz braucht!
Gleichzeitig war es ernüchternd, dass wichtige Themen wie sexuelle und reproduktive Rechte nicht in die Politische Erklärung aufgenommen wurden. Dabei sind gerade diese Rechte essenziell für echte Gleichstellung. Das zeigt uns einmal mehr, wie wichtig es ist, sich weiter für diese Themen starkzumachen – in der internationalen Politik, aber auch in Deutschland.
DGVN: Inwiefern war es euch möglich, die Anliegen von jungen Menschen einzubringen?
Lena: Vor der CSW haben wir in Workshops mit jungen Menschen aus Deutschland gesprochen zum Beispiel zu den Themen Gesundheit, Schutz vor Gewalt oder der Situation von FLINTA-Personen in bewaffneten Konflikten. Im Austausch mit Jugendbeobachter*innen aus anderen Ländern haben wir überlegt, wie wir diese Perspektiven am besten in die Verhandlungen einbringen können. Bereits vor der Sitzung haben wir die Entwürfe der Politischen Erklärung kommentiert und uns mit der deutschen Delegation ausgetauscht, die sich sehr für unsere Anliegen eingesetzt hat. Doch am Ende wird mit der ganzen Welt verhandelt, und da braucht es Kompromisse. Einige unserer zentralen Themen wie reproduktive Rechte oder die Anerkennung der Vielfalt von Geschlechtern haben es leider nicht in die finale Erklärung geschafft.
Ivette: Am ersten Tag der Konferenz wurde dann die Politische Erklärung verabschiedet, in der die Staaten ihr Bekenntnis zur Beijinger Aktionsplattform bekräftigen. Das war ein bewegender Moment – Erleichterung im Raum, aber auch ein bisschen Enttäuschung. Trotzdem: Wir bleiben dran. Wir wollen mit jungen Menschen im Gespräch bleiben und zeigen, dass Gleichstellung nicht nur ein Ziel auf Papier ist, sondern eine gemeinsame Aufgabe für jetzt und die Zukunft.
DGVN: Warum ist es eurer Meinung nach wichtig, dass junge Menschen in die Diskussionen und Entscheidungen rund um Frauenrechte auf internationaler Ebene einbezogen werden?
Ivette: Es ist wichtig, dass junge Menschen in die Diskussionen zu den Rechten von FLINTA-Personen auf internationaler Ebene einbezogen werden, weil unsere Perspektiven die Vielfalt der Erfahrungen widerspiegeln, die weltweit existieren. Als Jugendbeobachterinnen bei der CSW sehen wir, wie entscheidend es ist, dass unsere Stimmen gehört werden, um die Realität unserer Generation widerzuspiegeln. Jede Altersgruppe bringt unterschiedliche Sichtweisen und Lösungsansätze mit, und junge Menschen sind besonders gut darin, neue, kreative Wege zu finden, um bestehende Probleme anzugehen.
Lena: Junge Perspektiven sind unverzichtbar – denn wir sind es, die von den heutigen Entscheidungen am stärksten betroffen sein werden. Unsere Einbindung macht politische Prozesse inklusiver und zukunftsorientierter. So werden Veränderungen nachhaltig wirksam, da alle Generationen mitgedacht werden. Die aktive Beteiligung junger Menschen trägt dazu bei, feministische Bewegungen vielfältiger, gerechter und zukunftsfähiger zu gestalten.
DGVN: Nachdem ihr euch intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt habt: Welche Tipps würdet ihr anderen jungen Menschen geben, die sich für Geschlechtergerechtigkeit engagieren wollen?
Lena: Im Alltag kann jeder etwas beitragen und oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen, das nennt sich Mikro-Feminismus! Zum Beispiel, sexistische Kommentare in der Schule oder im Freundeskreis nicht unkommentiert lassen. Schon ein einfaches Nachfragen wie „Findest du das wirklich okay?“ kann etwas bewegen. Auch im Studium oder bei der Arbeit kann man bewusst darauf achten, Autor*innen und feministische Perspektiven einzubeziehen, damit vielfältige Stimmen gehört werden.
Ivette: Gleichzeitig geht es auch darum, im Alltag solidarisch zu sein – mit FLINTA-Personen und allen Personen, die aufgrund mehrerer Diskriminierungsmerkmale benachteiligt werden. Zuhören, unterstützen, sich austauschen. Und suche dir Verbündete! Vielleicht gibt es einen Verein, eine Gruppe oder einfach eine Person in deinem Umfeld, mit der du reden kannst. Der Wandel beginnt im Kleinen, mit Aufmerksamkeit, Haltung und dem Mut, Dinge zu hinterfragen. Aber damit sich wirklich etwas verändert, braucht es uns alle.
Die Fragen stellten Sophia Jerko und Lisa Waas.
[1] FLINTA = Abkürzung für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen.