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8. September: Welttag der Alphabetisierung

773 Millionen Menschen können nicht lesen und schreiben. Zum Welttag der Alphabetisierung zieht die UNESCO Bilanz. Denn trotz Fortschritten sind durch die Corona-Pandemie andernorts Bildungslücken gewachsen. Wie kann Wissen überall krisenfest vermittelt werden?

Eine Frau schreibt Buchstaben auf eine Tafel, weitere Frauen sitzen vor der Tafel.
Ein Alphabetisierungskurs für Erwachsene nahe der nigerianischen Stadt Bauchi. Foto: UN Photo/Sean Sprague

Jedes Jahr am 8. September begeht die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) den Welttag der Alphabetisierung. In diesem Jahr steht er unter dem Motto „Transforming Literacy Learning Spaces“. Damit soll die Diskussion um grundlegende Veränderungen in der Bildungslandschaft im Vorfeld des UN-Bildungsgipfels („Transforming Education Summit“) Mitte September in New York gefördert werden. Alphabetisierungsräume zu verändern heißt dabei, ein Lehren und Lernen zu unterstützen, das für die Lernenden selbst eine Veränderung bedeutet.

„Gemeinsam haben wir in diesem Bereich schon viel erreicht“, so Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO in ihrer Botschaft zum Welttag der Alphabetisierung 2022. Azoulay nennt konkrete Zahlen: Während im Jahr 1979 erst 68 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben konnten, waren es 2020 schon 86,7 Prozent. Doch noch immer leben weltweit etwa 773 Millionen junge Menschen und Erwachsene ohne diese wichtigen Grundkenntnisse.

Weiter große Ungleichheit

Hinter der globalen Alphabetisierungsquote verbergen sich erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Bevölkerungsgruppen. 60 Prozent der Analphabetinnen und Analphabeten sind nach UNESCO-Angaben Mädchen und Frauen. Die Datenbank der UNESCO gibt neben vielen anderen Bildungsindikatoren die Analphabetenzahlen nach Ländern, nach Jungen und Mädchen, nach Männern und Frauen und nach Stadt und Land aufgeschlüsselt wieder.

Viele, auch arme Länder haben bei der Alphabetisierung ihrer Bevölkerung große Erfolge erzielt. Programme wie kostenlose Schulspeisungen haben dazu beigetragen, dass mehr Kinder die Schule besuchen. Doch die Corona-Pandemie hat die Ungleichheit in Bezug auf Bildungschancen wieder verschärft. „COVID-19 ist die schwerste Krise, die je alle Bildungssysteme der Welt zugleich getroffen hat“, heißt es im Weltbildungsbericht 2020/21. Pandemiebedingte Schulschließungen und -unterbrechungen haben zu Unterrichtsausfällen geführt. Viele Kinder und Jugendliche mussten die Schule ganz abgebrechen. Überall auf der Welt war die Qualität der Bildung für alle Lernenden beeinträchtigt.

Wo es eine gute technische Infrastruktur gibt, konnten in der Krise zumindest ein Teil der Lerninhalte digital oder hybrid zugänglich gemacht werden. Doch Lernende ohne die entsprechende Infrastruktur, Internet oder elektrischen Strom hatten das Nachsehen.

Bildung resilienter gestalten

Weiterhin halten die Pandemie, Kriege und Natur- und Klimakatastrophen in verschiedenen Teilen der Welt Lernende davon ab, ihr Recht auf Bildung wahrzunehmen. Deshalb besteht eine der großen Herausforderungen für die Zukunft darin, Bildungssysteme nicht nur auszubauen, qualitativ zu verbessern und für alle Menschen zugänglich zu machen, sondern sie auch resilienter, das heißt krisenfester zu gestalten.

Dafür hat die Corona-Krise wichtige Weichen gestellt. So wurden Strukturen geschaffen und Erfahrungen ermöglicht, auf die sich aufbauen lässt. Beispielsweise können viele ukrainische Kinder, die durch den Krieg in ihrem Land auf der Flucht sind, dank der in der Pandemie entwickelten Homeschooling-Angebote weiter lernen – nach ukrainischem Lehrplan und in ihrer Muttersprache.

SDG 4 – Bildung: Niemanden zurücklassen

Bildung ist als viertes der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verankert. Unterziel 4.6 sieht vor, dass alle Jugendlichen und Erwachsenen bis zum Jahr 2030 Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse erwerben sollen. Denn wer lesen und schreiben kann und die Grundrechenarten beherrscht, hat es deutlich leichter, seinen Alltag zu bewältigen. Zudem ist Bildung auch für den Erfolg der anderen Nachhaltigkeitsziele unabdingbar. Wer in Armut lebt, hat durch Bildung bessere Möglichkeiten, der Armut zu entkommen (SDG 1). Lesen und schreiben zu können, schafft Zugang zu Grundwissen, um Mangelernährung vorzubeugen (SDG 2) und gesund zu bleiben (SDG 3). Auch um die Umwelt zu schützen und den Klimawandel einzudämmen (SDG 13), spielt Bildung eine zentrale Rolle.

In Anerkennung gerade auch der Erwachsenenbildung als zentralen Motor für die SDGs haben im Aktionsrahmen von Marrakesch zur Erwachsenenbildung Mitte Juni 2022 die UNESCO-Mitgliedstaaten ihr Engagement für die Alphabetisierung Erwachsener und lebenslanges Lernen unterstrichen. Zur Anpassung an die sich verändernden gesellschaftlichen Anforderungen und den Wandel in der Arbeitswelt spielen Weiterbildungen und Umschulungen eine wichtige Rolle.

Die Agenda 2030 mit den 17 SDGs ist das Versprechen, auf dem Weg zur Umsetzung dieser Ziele niemand zurückzulassen. Im Bildungswesen heißt das, dass Inklusion und Gleichberechtigung ein hoher Stellenwert zukommt. Mit der digitalen Transformation von Lernräumen für Alphabetisierung werden diese Anliegen als noch dringender wahrgenommen. So muss der weltweite Zugang zur Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Strom und Internet verbessert werden. Dies gilt insbesondere für Jugendliche und Erwachsene aus benachteiligten Gruppen, die aufgrund von Armut, geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung, sozialem Status, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Behinderung oder Wohnort Gefahr laufen, in der Bildung abgehängt zu werden.

UN-Bildungsgipfel „Transforming Education“

Um das Bildungs-SDG 4 und auch die anderen Ziele zu erreichen, sehen die UNESCO-Mitgliedstaaten die Notwendigkeit, mehr in Bildung zu investieren, die internationale Hilfe aufzustocken und in größerem Maß offene, kostenlose und hochwertige Bildungsressourcen bereitzustellen.

Im Spannungsfeld zwischen schneller Erholung von der Pandemie und dem nötigen, langfristigen Wandel im Bildungswesen soll es auf dem UN-Bildungsgipfel vom 16. bis 19. September 2022 in New York darum gehen, das Was und Wie des Lernens zu überdenken. Neue Politiken, Praktiken, Ansätze und Governance-Systeme sollen auf den Weg gebracht werden, damit Bildung allen Lernenden Fähigkeiten, Wissen und Werte vermittelt, die ein erfolgreiches Leben ermöglichen.

Von Christina Kamp

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