Moderne Sklaverei und Zwangsarbeit
Menschenhandel oder Zwang zur Arbeit sind verboten, doch sie gehören längst nicht der Vergangenheit an. Zwangsprostitution, Kinderarbeit und Schuldknechtschaft sind Formen moderner Sklaverei. Die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen haben mehrere rechtsverbindliche Übereinkommen geschlossen, die vor Sklaverei, Zwangsarbeit und Menschenhandel schützen sollen.
Viele Menschen leiten das Bild von Sklaverei historisch her. Die Begriffe Sklaven und Sklavenhalter wirken auf sie fast antiquiert. Geprägt von den Geschichten des transatlantischen Sklavenhandels, die untrennbar mit der Vorstellung davon verknüpft werden, was unter Sklaverei verstanden wird, sind viele heute davon überzeugt, dass es keine Sklaverei mehr gibt. Richtig ist, dass Sklaverei und Menschenhandel inzwischen international verboten sind.
Das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit ist eines der absoluten Menschenrechte. Sie ist verboten, weil alle Menschen frei und gleich geboren werden. Der Grundpfeiler dafür ist das Recht auf Freiheit. Somit kann es heute – im Gegensatz zu den historischen Formen der Sklaverei – auch keine Personen mehr geben, die „rechtmäßig“ verkauft und „besessen“ werden können. Zentral für alle Formen der Sklaverei ist jedoch nicht der Besitz von Personen, sondern die Art, wie Menschen beherrscht werden. Der Begriff der Sklaverei umfasst heute eine Vielzahl an Ausbeutungsverhältnissen. Darunter die Zwangsarbeit, Zwangsprostitution, aber auch Fälle von Kinderarbeit, Zwangsheirat und die sogenannte Schuldknechtschaft.
„Menschenhandel“ bedeutet nach heutiger Definition „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat zum Zweck der Ausbeutung.“
Da Sklaverei und Menschenhandel inzwischen international verboten sind, finden sie meist im Verborgenen statt. Niemand weiß genau, wie viele Menschen heute weltweit in modernen Formen von Sklaverei ausgebeutet werden. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) gibt an, dass ihren Schätzungen nach circa 21 Millionen Menschen in modernen Formen der Sklaverei u. a. als Zwangsprostituierte, als Minenarbeiter im Bergbau, in der Landwirtschaft, in Fabriken oder Privathaushalten ausgebeutet werden. Menschen, die in Schuldknechtschaft leben oder Kinder, die in Sklaverei ähnlichen Situationen ausgebeutet werden, sind in dieser Schätzung noch nicht enthalten.
Es gibt mehrere Unterschiede zwischen dem, was wir aus den Geschichtsbüchern über Sklaverei kennen, und den modernen Formen von Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit wie sie heute vorkommen, doch die zentralen Charakteristika – die Beherrschung von Personen und die Anwendung von Gewalt und/oder Betrug zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung – sind auch heute noch dieselben.
Verbot von Sklaverei
Im vergangenen Jahrhundert sind mehrere Konventionen und Übereinkommen durch den Völkerbund, die Vereinten Nationen und Sonderorganisationen verabschiedet worden, die Menschen vor Sklaverei und Zwangsarbeit schützen sollen und die rechtlich verbindlich sind. Das Verbot von Sklaverei gehört heute zu den absoluten Menschenrechten.
Übereinkommen betreffend die Sklaverei von 1926 und sein Protokoll 1953
Das Übereinkommen betreffend die Sklaverei von 1926, das am 25. September 1926 vom Völkerbund vorgelegt wurde, stellt das erste internationale Abkommen zur Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels dar. Zwar hatte es auch im 19. Jahrhundert bereits Versuche gegeben insbesondere den Sklavenhandel – noch nicht die Sklaverei selbst – abzuschaffen, jedoch waren diese Abkommen mehrheitlich bilateral oder regional durch die Groß- bzw. Imperialmächte geschlossen worden. Die Konvention bezieht sich auf die Kongoakte von 1885, der Vertrag von Brüssel 1890 sowie die Konvention von St.-Germain-en-Laye, und "sucht sie [zu] vervollständigen". Mit der Verabschiedung des Übereinkommens betreffend die Sklaverei, verpflichten sich die Vertragsstaaten, „Sklavenhandel zu verhindern und zu unterdrücken“ und auf die Abschaffung der Sklaverei in all ihren Formen hinzuwirken.
Das Protokoll aus dem Jahre 1953 zur Änderung des am 25.September 1926 in Genf unterzeichneten Übereinkommens über die Sklaverei dient der Übertragung des Übereinkommens über die Sklaverei vom Völkerbund auf die Vereinten Nationen.
Seitdem die organisationsbezogenen Vertragsänderungen in Kraft getreten sind, wird das Übereinkommen unter folgender Bezeichnung geführt: Übereinkommen vom 25.September 1926 über die Sklaverei in der Fassung des Protokolls vom 7.12.1953.
Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit von 1930 (ILO-Konvention 29)
Das Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit (28. Juni 1930) wurde von der Internationalen Arbeitsorganisation vorgelegt. Darin verpflichten sich die Mitgliedstaaten dazu, den Gebrauch von Zwangs- oder Pflichtarbeit in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen. Artikel 2 Abs. 1 des Übereinkommens definiert Zwangsarbeit als „jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“
Nicht darunter fallen jedoch laut Art. 2, Abs. 2 jede Arbeit der Militärdienst, übliche Bürgerpflichten, Arbeit im Strafvollzug, notwendige Arbeit in Fällen höherer Gewalt - wie Umweltkatastrophen und Arbeiten bzw. Dienstleistungen, die dem unmittelbaren Wohl der Gemeinschaft dienen.
Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit
Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Abschaffung der Zwangsarbeit, auch als ILO Konvention 105 bekannt, wurde am 25. Juni 1957 von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation angenommen, trat am 17. Januar 1959 in Kraft und wurde bis heute (August 2021) von 176 Staaten ratifiziert. Das Übereinkommen knüpft an bestehende internationale Abkommen zur Beseitigung von Sklaverei (1926 und 1956) und Zwangsarbeit (1930) sowie an das Übereinkommen über den Lohnschutz (1949) an.
Die Mitgliedstaaten verpflichten sich in Art. 1 des Übereinkommens dazu, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und in keiner Form zu verwenden. Dazu gehören Zwangsarbeit als Mittel politischen Zwanges oder politischer Erziehung oder als Strafe gegenüber politischen oder ideologischen Gegnern; als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften zur wirtschaftlichen Entwicklung; als Maßnahme der Arbeitsdisziplin; als Strafe für die Teilnahme an Streiks; als Maßnahme ethnischer, sozialer, nationaler oder religiöser Diskriminierung.
Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei (1957)
Das Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken trat am 30. April 1957 in Kraft. Es dient insbesondere der Erweiterung der Definition von Sklaverei. So wird im Abkommen festgelegt, dass auch Einrichtungen wie Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft oder der Verkauf von Frauen oder Kindern unter die Bezeichnung der Sklaverei fallen und als solche verboten sind.
Ferner ist darin festgelegt, dass ein Vertragsstaat, sofern er derartige Praktiken noch nicht hat beseitigen können, jede Versklavung einer Person sowie deren körperliche Kennzeichnung als Sklave zu bestrafen hat.
Aktivitäten der ILO gegen Zwangsarbeit
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden jährlich fast 21 Millionen Menschen durch Zwangsarbeit ausgebeutet, die überwiegende Mehrheit durch Privatpersonen und Firmen. So werden in der Privatwirtschaft jedes Jahr schätzungsweise 150 Milliarden US-Dollar mit Zwangsarbeit verdient – durch sexuelle Ausbeutung in der Sexindustrie sowie die Ausbeutung der Arbeitskraft vor allem in privaten Haushalten, der Landwirtschaft, dem Baugewerbe und Bergbau.
Da sich die ILO der Förderung von sozialer Gerechtigkeit sowie der Durchsetzung von Menschen- und Arbeitsrechten verschrieben hat, gehört die Bekämpfung von Zwangsarbeit schon lange zu ihren Schwerpunkten. Bereits 1930 verabschiedete sie das Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit, 1957 gelang die Verabschiedung des Übereinkommens über die Abschaffung der Zwangsarbeit. Im Jahr 1998 verabschiedete die ILO die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, wonach alle Mitgliedstaaten der ILO verpflichtet sind, die grundlegenden Rechte aus den Konventionen der ILO zu respektieren – darunter auch die Abschaffung aller Formen von Zwangsarbeit –, selbst wenn sie die entsprechenden Konventionen nicht ratifiziert haben.
Im Anschluss an diese Erklärung rief die ILO im November 2001 das Sonderprogramm zur Bekämpfung der Zwangsarbeit („Special Action Programme to combat Forced Labour“) ins Leben, um globale Aufmerksamkeit für unterschiedliche Formen von Zwangsarbeit zu wecken. Zu diesem Zweck führt das Sonderprogramm Untersuchungen zum Beispiel zu erzwungener Arbeit in Privathaushalten oder Zwangsarbeit in Gefängnissen durch. Die Verbindung von Zwangsarbeit und Menschenhandel wird ebenfalls von der ILO in den Blick genommen, da Zwangsarbeit eine Form von Ausbeutung darstellt und grenzüberschreitender Menschenhandel per definitionem auf Ausbeutung abzielt. Der Zusammenhang von Zwangsarbeit und Menschenhandel wurde auch von anderer Seite in den Blick genommen: Im Dezember 2003 trat das von der UN-Generalversammlung verabschiedete Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, in Kraft. Es gilt als Meilenstein im Kampf gegen Menschenhandel und definiert Zwangsarbeit explizit als eines der Ziele des Menschenhandels.