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Rechte indigener Völker

Indigene Gruppen werden häufig benach­teiligt. Sie leben oft in Armut und haben geringere Mög­lich­keiten zur gesell­schaft­lichen Teil­habe. Zudem sind ihre kulturelle Identität, ihre Lebens­weise und ihr Recht auf Land vieler­orts gefährdet. Verschiedene inter­nationale Abkommen räumen Indigenen Völkern daher besondere Rechte ein.

Ein junger Mann mit langen schwarzen Haaren, dessen linke Gesichtshälfte mit einem gelb-schwarzem Muster bemalt ist.
Mitglied einer indigenen Gemeinschaft in Honduras (UN Photo/Evan Schneider)

Weltweit leben ca. 370 Millionen Menschen in 70 Ländern, die indigener Herkunft sind. Dabei haben die Vereinten Nationen über 5000 unter­schiedliche indigene Völker gezählt. Während sie sich in ihren besonderen Kulturen, Ritualen und Traditionen sowie in sozialen ökonomischen Systemen sehr von einander und meist auch von der Mehr­heits­gesellschaft unter­scheiden, in der sie leben, vereint sie, dass sie eine besondere Beziehung zu ihrem traditionell ange­stammten Land pflegen. Dieses sichert ihnen ihre kulturelle Identität, ihre Existenz und ihre Lebens­weise. Es gibt dabei keine feste Definition des Begriffs „indigen“. Als Kriterien werden jedoch die Selbst­identi­fikation als indigenes Volk, die Nach­fahren der Erst­besiedler einer Region, eine traditionelle Lebens­weise mit eigenen wirtschaft­lichen, politischen und sozialen Systemen, eine eigene Kultur, Glaube und Sprache, eine historische und starke Verbindung zu ihrem Land und das Darstellen einer Minder­heit heran­gezogen. Der Erhalt dieses Landes und seiner Boden­schätze ist für indigene Völker von essenzieller Bedeutung. Der Ressourcen­reichtum vieler ­indigener Lebens­räume macht das Land jedoch auch für private und staatliche Akteure interessant, die nach Wachs­tum, wirtschaft­lichem Erfolg und Ent­wicklung streben.

Häufig kommt es dabei zu Konflikten zwischen wirtschaft­lichen Interessen und der Ein­haltung von Menschen­rechten indigener Völker. Dies ist jedoch nicht die einzige existenzielle Gefahr. Indigene Völker werden häufig margi­nali­siert, sind recht­lich benach­teiligt und leben häufiger in Armut und auch das führt dazu, dass sie neben der Dis­kriminierung zudem leichter Opfer von weiteren Menschen­rechts­verletzungen werden.

In den 1960er und 1970er Jahren begannen indigene Aktivis­tinnen und Aktivisten sich zusammen­zu­schließen, um ihren gemein­samen Anliegen auf nationaler aber auch auch auf inter­nationaler Bühne Gehör zu verschaffen. 2007 konnten diese indigenen (inter­nationalen) Orga­nisationen, die sich jahr­zehnte­lang dafür ein­gesetzt hatten – endlich einen großen Erfolg feiern. Es wurden inter­nationale Verein­barungen getroffen, die die Land­rechte indigener Gemeinden aner­kennen und schützen sollen. Auf UN-Ebene ist die Erklärung über die Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen von 2007 zu nennen. Für den Schutz der Rechte indigener Völker ist darüber hinaus auch die Konvention 169 der Inter­nationalen Arbeits­organisation (ILO) von zentraler Bedeutung. Beide Ab­kommen schützen die kulturelle Identität und Lebens­weise indigener Gemeinden und räumen ihnen ein Konsultations­recht bei Projekten ein, die ihr Land betreffen. Wenn sie ein Projekt ablehnen, muss dies – laut dieser Abkommen – akzeptiert werden.

Trotz dieser Erfolge ist der tat­sächliche Einfluss indigener Völker in den meisten Ländern weiter gering. Sie erfahren Dis­kriminierung im Bildungs- und Sozial­wesen, sie sind politisch unter­repräsentiert und werden oft marginalisiert. Darüber hinaus werden ihre Land­rechte nicht geachtet und viele indigene Völker wurden Opfer von Vertreibung, rechts­widriger Zwangs­räumung und Zwangs­umsiedlungen. Sehr häufig wird ihr Kollektiv­recht auf ihr ange­stammtes Land den wirtschaft­lichen Interessen von Unter­nehmen unter­geordnet. In einigen Ländern werden Straf­taten, sexuelle Gewalt oder sogar Morde an indigenen Menschen deutlich weniger häufig auf­geklärt als in der Mehr­heits­gesell­schaft – zudem sind sie aufgrund ihrer Margi­nalisierung grund­sätzlich gefährdeter, Opfer von Straf­taten zu werden. In Kanada werden indigene Menschen beispiels­weise sechs­mal so häufig Opfer von Mord als nicht indigene Menschen. Zwischen 1980 und 2012 wurden nach Angaben der kanadischen Polizei mindestens 1,017 indigene Frauen und Mädchen ermordet und mindestens 105 weitere Frauen verschwanden spurlos. Indigene Menschen­rechts­verteidiger und Menschen­rechts­ver­teidigerinnen werden auf­grund ihres Ein­satzes bedroht, inhaftiert oder mit hohen Geld­strafen belegt.

UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker

In einem Sitzungssaal sitzen Frauen und Männer mit farbenfroher traditioneller Kleidung.
UN-Forum für indigene Völker im Jahr 2016 (UN Photo/Rick Bajornas)

Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker wurde am 13. September 2007 von der General­versammlung mit der Resolution A/RES/61/295 mit einer Mehr­heit von 143 Ja-Stimmen verab­schiedet. Nur vier Staaten stimmten dagegen: Die USA, Neuseeland, Kanada und Australien. Wie alle Erklärungen ist sie zwar kein rechts­verbindliches Instrument, dennoch ist sie ein zentrales Instrument im Einsatz für die Rechte von indigenen Völkern und definiert einen inter­nationalen Standard für deren Schutz. Die Erklärung stellt indigene Völker mit allen andern Völkern gleich, erkennt das Recht der Indigenen auf die Erhaltung und Ent­wicklung ihrer Institutionen, Traditionen, Kulturen und Identitäten an und verbietet Dis­kriminierung und Marginalisierung. Ihre Rechte werden dabei explizit sowohl individuell aber auch als Kollektiv anerkannt – im Unter­schied zu anderen Menschen­rechten, die Individual­rechte dar­stellen. Zudem erhalten indigene Völker klare Selbst­bestimmungs­rechte, Kontrolle über ihr von Ahnen angestammtes Land, inklusive der darauf befindlichen Ressourcen sowie Mit­sprache­rechte in allen Belangen, die sie oder dieses Land betreffen.

Dass die USA, Neuseeland, Kanada und Australien gegen die Erklärung gestimmt haben, ist wenig verwunder­lich, da sie sich bereits in der Erarbeitung der Erklärung deutlich gegen das darin enthaltene Mit­sprache­recht für die indigenen Völker aus­gesprochen hatten. Dies zeigt jedoch, dass die wirtschaft­liche Ent­wicklung eines Landes nicht zwangs­läufig zu einer stärkeren Achtung der Menschen­rechte führt. In der Konsequenz werden auch in diesen Ländern, ins­besondere dann, wenn wirtschaft­liche Interessen den Interessen und Einwänden indigener Völker gegen­über­stehen, die Rechte der indigenen massiv verletzt. 

Mitspracherechte für indigene Völker – der Free and Prior Informed Consent

Die Erklärung hat einen Mechanismus verankert, der indigenen Völkern ein Mit­sprache­recht ein­räumt, wenn Projekte sie oder ihr Land betreffen: den Free and Prior informed consent. Das heißt: Indigene Völker und Gemeinden müssen früh­zeitig (prior), ohne dass Zwang oder Bedrohung oder sonstige Einfluss­nahme­versuche erfolgen (free), konsultiert werden, über Konsequenzen ehrlich, verständlich und transparent aufgeklärt werden (informed) und dann ihr – mit Hilfe ihrer eigenen Methoden und Ent­scheidungs­findungs­mechanismen herbei­geführtes - kollektives Ein­ver­ständnis geben, wenn Projekte auf ihrem Land durch­geführt werden sollen. Dafür muss ihnen die nötige Bedenk­zeit ein­geräumt werden, die sie für diesen Prozess benötigen. Bis heute fehlen aber leider in den meisten Ländern die nötigen Konsultations­mechanismen, die die Rechte der Indigenen in die Praxis umsetzen würden.