Internationaler Strafgerichtshof
Der Weg zur Errichtung eines ständigen internationalen Strafgerichtshofes war lang und schwierig. Dieser kann in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen unabhängig vom Willen einzelner Staaten über Personen richten.
Nachdem am 1. Juli 2002 das Römische Statut in Kraft trat, nahm der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court - ICC; dt. IStGH) mit Sitz in Den Haag seine Arbeit auf. An diesem Tag wurde ein neues Kapitel der modernen Menschheitsgeschichte aufgeschlagen: Zum ersten Mal überhaupt besteht die Hoffnung, dass Schwerstverbrecher, die früher mit einiger Sicherheit unbehelligt blieben, fortan eine Aburteilung wegen individueller Vergehen fürchten müssen. Dieses Gericht ist die erste ständige Rechtsinstanz, die Einzelpersonen für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie wegen Aggression strafrechtlich zur Verantwortung ziehen kann. Der ICC knüpft an die Allliierten Kriegsverbrechertribunale in Nürnberg und Tokio und den vom UN-Sicherheitsrat eingerichteten Tribunalen zu Ex-Jugoslawien und Ruanda an und gilt als eine der bedeutendsten Entwicklungen im Menschenrechtsschutz der letzten 50 Jahre.
Der ICC ist subsidiär aufgebaut, das heißt, er wird nur tätig, wenn schwere Menschenrechtsverbrechen von der nationalen Justiz nicht geahndet werden. Insgesamt geht es dabei „nicht um den kleinen Soldaten, sondern um die Befehlshaber, Drahtzieher und Täter im großen Stil“, so Hans-Peter Kaul, ehemaliger deutscher Richter am ICC. 2015 wurde Bertram Schmitt für eine Amtszeit von neun Jahren in das Richteramt am ICC gewählt.
Die Organe des Gerichts sind die Richterschaft, die Kanzlei und die Anklagebehörde. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht die Führung der Anklagebehörde.
Wie der Internationale Strafgerichtshof entstand
Die Umsetzung Internationaler Strafgerichtsbarkeit begann nicht erst mit der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes im Jahr 2002. Die Anfänge markierten 1945 das Internationale Militärtribunal in Europa (IMT), besser bekannt als die Nürnberger Prozesse, und das Internationale Militärtribunal für den Fernen Osten 1946 in Tokio (IMTFE). Mit der Einsetzung der beiden Tribunale schuf man vorübergehend Institutionen der internationalen Strafgerichtsbarkeit, die schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen gegen den Frieden sowie Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkrieges ahnden sollten. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) setzten diese Praxis in einem anderen Kontext fort. Sie stellten die ersten aktiven völkerrechtlichen Instrumente der Vereinten Nationen dar. Das Völkerstrafrecht ermöglichte damit erstmalig, einzelne Personen anstatt Staaten für schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu machen.
Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
Die Einsetzung eines Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia - ICTY) durch die Resolution 808 (1993) des UN-Sicherheitsrats, markiert einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung Internationaler Strafgerichtsbarkeit.
Die während der Jugoslawienkriege (1991-2001) verübten Verbrechen, darunter schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen (1949), Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte waren ausschlaggebend für die Einsetzung des ICTY. Nach einer Einschätzung des UN-Sicherheitsrats stellten sie eine Gefährdung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens dar. Dementsprechend sah sich der Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN Charta legitimiert in Form des ICTY zu intervenieren.
Bei dem ICTY handelte es sich um ein so genanntes Ad-hoc-Tribunal, mit einem zeitlich (1. Januar 1993 bis 2001) und territorial (Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Serbien und Mazedonien) begrenzten Mandat, das zudem nur bestimmte Straftaten einschließt: Darunter fallen Verbrechen wie Mord, Folter, Vergewaltigung, Zerstörung von Eingentum und Sklaverei. Die Verletzungen des humanitärern Völkerrechtes beinhalteten auch Fälle von „ethnischen Säuberungen“.
Ausdrücklich erklärte Ziele des ICTY waren es, den Opfern Entschädigungen zu ermöglichen, die Verbrechen zu ahnden und vor zukünftigen Kriegsverbrechen abzuschrecken. So sollte auf lange Sicht ein stabiler Frieden zwischen den Ethnien und in der Region ermöglicht werden.
Der ICTY erhob Anklage in über 161 Fällen, 93 Menschen wurden verurteilt. Damit zählt es zu den aktivsten Tribunalen in Bezug auf angeklagte und verurteilte Personen. Zu den prominentesten Fällen des ICTY zählen Slobodan Milošević, Radovan Karadžić und Ratko Mladić.
Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda
Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (International Criminal Tribunal for Rwanda - ICTR) wurde 1994 durch den UN-Sicherheitsrat eingesetzt. Die Resolution 955 verabschiedete das Statut zum ICTR, die Resolution 977 beschloss Arusha (Tansania) als Hauptsitz des Ad-hoc-Tribunals. Es war somit der zweite nicht-permanente Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen.
Wieder entschied der UN-Sicherheitsrat aufgrund der Gefährdung der Sicherheit und Stabilität sowie des Friedens nach Kapitel VII der UN-Charta. In den Monaten Mai bis Juni 1994 hatten Mitglieder der ethnischen Mehrheit Ruandas, die Hutu, mehr als 800 000 Menschen, hauptsächlich Mitglieder der Tutsis, ermordet. Der Völkermord und die damit einhergehenden massiven Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts waren Auslöser für das Handeln der Vereinten Nationen.
Auch im Fall Ruandas handelt es sich um ein Ad-hoc-Tribunal, dessen Mandat zeitlich auf Straftaten begrenzt ist, die zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 21. Dezember 1994 verübt wurden. Gegenstand der Verhandlungen waren nur Straftaten, die von ruandischen Staatsangehörigen in Ruanda oder in angrenzenden Staaten begangen wurden. Nach Artikel zwei bis vier des ICTR-Statuts zählten zu den zu ahndenden Verbrechen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen die Genfer Konventionen. Nur Individuen, ohne Berücksichtigung ihrer politischen Ämter, durften angeklagt werden.
Neben der Ahndung der Straftaten sollte das Ad-hoc-Tribunal auch einen Prozess der nationalen Versöhnung einleiten. In Verbindung mit den traditionellen Gacaca-Gerichten schaffte man so eine Individuallösung für die Strafverfolgung in Ruanda nach dem Völkermord. Um eine raschere Abwicklung der Prozesse und damit eine Beschleunigung des Versöhnungsprozesses zu erlauben, wurde der ICTR 1998 nachträglich um eine weitere Kammer vergrößert (vgl. Resolution 1165).
Abwicklung der beiden Strafgerichtshöfe
Da es sich bei den beiden Strafgerichtshöfen nur um Ad-hoc-Tribunale handelte, begann nun nach Resolution 1966 des UN-Sicherheitsrats (2010) der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Tribunale (International Residual Mechanism for Criminal Tribunals - MICT). Dieser übernahm die verbleibende Arbeit beider Tribunale und übergab entsprechende Fälle auch an die nationalen Gerichtsbarkeiten. Der ICTR beendete seine Arbeit 2015, der ICTY 2017. Die Ahndung von massiven Menschenrechtsverletzungen, Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht sowie die Genfer Konventionen übernahm dann der ICC.