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UN-Menschenrechtsrat

Die Generalversammlung beschloss am 15. März 2006 gemäß Resolution A/RES/60/251 die Einrichtung eines Menschenrechtsrats. Der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete die Einrichtung des Menschenrechtsrats als einen „historischen Schritt“, der den Vereinten Nationen die längst überfällige Chance böte, einen Neuanfang in ihrem Einsatz für die Menschenrechte zu wagen.

Der dicht gefüllte Sitzungssaal des UN-Menschenrechtsrates.
Sitzung des UN-Menschenrechtsrates (UN Photo/Jean-Marc Ferré)

Der Menschenrechtsrat löste die Menschenrechtskommission ab, die bis 2006 das wichtigste Gremium im Menschenrechtsschutz der Vereinten Nationen gewesen war, sich jedoch zunehmender Kritik an ihrer Effizienz ausgesetzt sah. Alle anstehenden Entscheidungen der Menschenrechtskommission wurden an die konstituierende Sitzung des Menschenrechtsrats übergeben. Diese Sitzung begann am 19. Juni 2007. Damit wurden eine Vielzahl von Veränderungen – insbesondere struktureller Art – gegenüber der Menschenrechtskommission in Gang gesetzt.
Neben der Ausarbeitung neuer Menschenrechtsinstrumente hat der Menschenrechtsrat die Aufgabe, die Lage der Menschenrechte weltweit zu beobachten und mit Resolutionen oder der Berufung von Sonderberichterstattern auf länder- und themenspezifische Menschenrechtsproblematiken aufmerksam zu machen. Der Menschenrechtsrat setzt sich aus 47 Mitgliedern zusammen.

Die Arbeit des Menschenrechtsrates

Der Menschenrechtsrat trifft sich mindestens 10 Wochen pro Jahr, verteilt auf drei mehrwöchige Tagungszeiträume. Somit wird gewährleistet, dass der Rat zeitnah auf kritische Situationen reagieren kann. Dies wird zusätzlich durch die Möglichkeit von Sondertagungen unterstützt. Sondersitzungen beschäftigten sich in der Vergangenheit mit der Menschenrechtslage in Darfur, in Libanon und in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie den steigenden Preisen für Nahrungsmittel und der damit verbundenen Hungerkrise.

Das Gremium steht mitunter in der Kritik, wenn Staaten mit einer fragwürdigen Menschenrechtspraxis Mitglied werden oder einseitige Beschlüsse getroffen werden. Israel sieht sich zum Beispiel mit unverhältnismäßig vielen Verurteilungen durch den Rat konfrontiert, meist eingebracht von Mitgliedern der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit. Auch aufgrund dieser Voreingenommenheit gegenüber Israel verkündeten die USA 2018 ihren Austritt aus dem Menschenrechtsrat, dessen Reform sie zugleich mit diesem Schritt forderten. Die gleichzeitige Verurteilung palästinensischer Menschenrechtsverletzungen wird dagegen häufig abgelehnt. Zugleich verhindert deren Stimmgewicht regelmäßig Anträge gegen ihre eigenen Mitgliedstaaten, beispielsweise Usbekistan oder den Iran. Auch Russland und China wird vorgeworfen, eine einseitige und unausgewogene Politik im Rat zu betreiben, da sie sich regelmäßig den Verurteilungen Israels anschließen, in anderen Fällen aber autoritäre Regime wie Myanmar oder Sudan in Schutz nehmen. Als im Februar 2011 allerdings der Ausschluss Libyens aus dem Rat zur Debatte stand, bewiesen die Mitglieder Einigkeit und sprachen sich einstimmig dafür aus.

Eine der entscheidenden Neuerungen des Menschenrechtsrates ist die Einführung eines Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review, UPR). Damit werden alle UN-Mitgliedstaaten regelmäßig auf die menschenrechtliche Situation in ihrem Land überprüft.

Bisher ist der Menschenrechtsrat ein Nebenorgan der Generalversammlung. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan erwähnte in seinem Bericht "In größerer Freiheit" (A/59/2005) auch die Idee einer Aufwertung des UN-Menschenrechtsrats zu einem Hauptorgan der Vereinten Nationen – ähnlich dem Sicherheitsrat oder dem Wirtschafts- und Sozialrat. Inwiefern sich diese Vision in den kommenden Jahren umsetzen lässt, bleibt jedoch abzuwarten. Der Menschenrechtsrat hat sich im Jahre 2011, fünf Jahre nach seiner Gründung, einer erneuten Prüfung durch die Generalversammlung unterzogen. Sicher ist jedoch, dass die zahlreichen Debatten über Reformen des Menschenrechtsrats nicht abreißen werden.

Beschwerdeverfahren

Das ehemalige '1503-Verfahren' wurde im Rahmen des Reformprozesses in 'Beschwerdeverfahren' (Complaint Procedures) umbenannt. Nach wie vor handelt es sich hierbei um ein nicht-öffentliches Verfahren zur Behandlung von individuellen Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen. Die Beschwerden können entweder von Einzelpersonen oder von Organisationen vorgebracht werden. Die Arbeitsgruppe für Mitteilungen, bestehend aus fünf Mitgliedern des Beratenden Ausschusses, geht den Beschwerden nach und prüft sowohl ihre Zulässigkeit als auch ihre Begründetheit, d.h. ob ein systematisches Muster schwerer und sicher nachweisbarer Verletzungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten erkennbar ist. Anhand der vorgelegten Informationen entscheidet die Arbeitsgruppe für Situationen, bestehend aus fünf Mitgliedern des Menschenrechtsrats, ob die Beschwerde weiterhin vertraulich diskutiert, fallengelassen oder das Verfahren dem Rat zur Prüfung übergeben und damit öffentlich gemacht wird. In den letzten zehn Jahren gingen jährlich durchschnittlich 20 000 Beschwerden im Rahmen des 1503-Verfahrens ein. Nur eine sehr geringe Zahl davon wird auch zugelassen. Dennoch ist der Aufwand der Arbeitsgruppen enorm. Eine Neuerung fand dahingehend statt, dass seit 2006 zwischen der Weiterleitung der Beschwerde an den Staat und der Behandlung durch den Rat nicht mehr als 24 Monate verstreichen dürfen. Das ist zwar eine Errungenschaft für die Beschwerdeführer, bedeutet aber eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Arbeitsgruppen.

Universal Periodic Review

Eine der entscheidenden Neuerungen des Menschenrechtsrates gegenüber der Menschenrechtskommission ist die Einführung des Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahren (Universal Periodic Review - UPR). In diesem Verfahren werden alle UN-Mitgliedstaaten regelmäßig auf die menschenrechtliche Situation in ihrem Land überprüft. Es ist das einzige internationale Verfahren, das alle Staaten gleichermaßen durchlaufen müssen. Kennzeichnend für das Verfahren ist, dass die Staatenprüfung nicht durch Sachverständigengremien erfolgt, sondern durch andere Staaten. Während der Überprüfung in Genf stellen somit Staaten Fragen an das überprüfte Land und geben Empfehlungen ab, wie die Menschenrechtssituation im überprüften Staat verbessert werden könnte. Das überprüfte Land kann die Empfehlungen annehmen oder ablehnen. Mit der Annahme der Empfehlungen, verpflichtet es sich dazu, diese bis zur nächsten periodischen Überprüfung umzusetzen. Der erste Zyklus der Überprüfung begann im Frühjahr 2008. Über den nunmehr vierten Bericht der Bundesregierung wurde im Herbst 2023 in Genf beraten.

Prüfkriterien des UPR-Verfahrens sind unter anderem die UN-Charta, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die vom zu überprüfenden Staat ratifizierten Menschenrechtsabkommen sowie eventuelle Absichtserklärungen des Staates zur Kandidatur für den Menschenrechtsrat. Der Überprüfung liegen zudem drei Berichte zu Grunde.

  1. Staatenbericht des überprüften Landes: Der sogenannte Staatenbericht wird von dem zu überprüfenden Staat selbst vorgelegt und stellt die nationale Menschenrechtslage und die Einhaltung der eingegangenen Menschenrechtsverpflichtungen dar.
  2. Bericht des OHCHR: Dieser Bericht enthält eine Zusammenfassung der staatenspezifische Schlussfolgerungen der Vertragsausschüsse und Sonderberichterstatter über die Menschenrechtslage im überprüften Land.
  3. Bericht des OHCHR: Zusammenfassung der Informationen und Berichte der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie der nationalen Menschenrechtsinstitution des überprüften Staats.

Sondermechanismen

Eine herausragende Bedeutung kommt im UN-Menschenrechtssystem der Tatsachenfeststellung zu. Dafür wurden bereits von der Menschenrechtskommission die sogenannten Sondermechanismen geschaffen, die die Aufgabe haben, die Menschenrechtslage in einem speziellen Land oder einem spezifischen Themenfeld unparteiisch zu beobachten und zu dokumentieren. Die Mandatsträger können sowohl Einzelpersonen, sogenannte Sonderberichterstatter oder Arbeitsgruppen sein, die aus unabhängigen Experten zusammengesetzt sind.

Derzeit (Stand: November 2023) gibt es insgesamt 14 Ländermandate für folgende Staaten: Afghanistan, Belarus, Burundi, Eritrea, Iran, Kambodscha, Mali, Myanmar, Nordkorea, die besetzten palästinensischen Gebiete, Somalia, Sudan, Syrien und die Zentralafrikanische Republik. Die thematischen Mandate widmen sich entweder bestimmten Problemen (z. B. Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen) spezifischen Menschenrechtsthemen und der Umsetzung dieser Menschenrechte (z.B. Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit) oder dem Schutz von bestimmten Opfern von Menschenrechtsverletzungen (z. B. der Sonderberichterstatter über die Lage von Menschenrechtsverteidigern). Die Sonderberichterstatter und Arbeitsgruppen unternehmen Ländermissionen, verfassen Studien und bieten den jeweiligen Staaten Beratung an. Ihre Berichte mit Empfehlungen werden im Menschenrechtsrat – und somit öffentlichkeitswirksam – diskutiert. Auch die UN-Generalversammlung kann ihre Untersuchungsergebnisse anfordern.

Als eine der größten Schwächen der Sondermechanismen wird die Machtlosigkeit bei unwilligen Regierungen angesehen. Jeder Staat kann eine ständige Einladung an die Sondermechanismen richten. Dies bedeutet, dass jederzeit Untersuchungen von Mandatsträgern thematischer Mandate zugelassen werden. Nicht alle Länder haben eine solche Einladung ausgesprochen. So verweigert beispielsweise Nordkorea den Mandatsträgern seit Jahren die Einreise. In solchen Fällen kommt der Zivilgesellschaft eine besonders wichtige Rolle zu, da die Sonderberichterstatter in ihrer Arbeit dann auf die Informationen Dritter angewiesen sind.