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Zwangsverheiratungen

Zwangs­verheiratung ist eine eklatante Menschen­rechts­ver­letzung und moderne Form der Skla­verei.  Die zur Ehe gezwungenen Kinder und Frauen müssen meist bei den Familien der Ehe­männer ein­ziehen, leiden unter körper­licher, psychischer und sexueller Gewalt aus­geübt durch ihr familiäres Umfeld. 

Junge Frauen und Mädchen sitzen in einer Reihe auf dem Boden. Sie tragen Kopftücher und Umhänge.
Jährlich werden auf der Welt schätzungsweise 10 Millionen Mädchen und Frauen unter 18 Jahren verheiratet (UN Photo/Tobin Jones)

Inmitten unserer Gesell­schaft werden Ehen zwischen jungen Menschen gegen ihren Willen erzwungen. Eine Zwangs­ver­heiratung besteht dann, wenn einer oder beide Partner keine Mög­lich­keit haben, sich gegen die Ehe­schließung zu entscheiden. Die zwangs­ver­heirateten Mädchen und Frauen müssen meist bei den Familien der Ehe­männer einziehen, leiden unter körper­licher, psychischer und sexueller Gewalt, die durch ihr familiäres Umfeld ausgeübt wird. Das Recht auf weiter­führende Bildungs­möglich­keiten bleibt den jungen Mädchen und Frauen durch die aufgezwungene traditionelle Rolle häufig verwehrt. Es handelt sich bei Zwangs­verheiratung um eine eklatante Menschen­rechts­verletzung und moderne Form der Sklaverei, von der in den meisten Ländern Europas über­wiegend Migrantinnen betroffen sind. Erzwungene Heiraten werden seit Langem in verschiedenen Zusammen­hängen diskutiert. Sie sind inzwischen auch Thema einer breiteren Öffent­lich­keit in Deut­schland. Verläss­liche Zahlen über den Umfang und das Ausmaß von Zwangs­heirat in Deutsch­land gibt es nicht. Eine Studie des Bundes­ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2008 kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • 32 Prozent der Betroffenen sind in Deutschland geboren.
  • 95 Prozent sind Mädchen und junge Frauen.
  • 30 Prozent von ihnen sind jünger als 17 Jahre, 40 Prozent zwischen 18 bis 21 Jahren.
  • Mehr als die Hälfte der Betroffenen erfahren körperliche Gewalt,
  • 27 Prozent werden unter anderem mit Mord – in Namen der Ehre – bedroht.

Nach Schätzungen von UNICEF werden welt­weit jähr­lich allein 10 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr ver­heiratet.

Archaische Wertvorstellungen

Eine erzwungene Ehe­schließung verletzt das Selbst­bestimmungs­recht und beeinträchtigt die mensch­liche Würde der Betroffenen. Zwangs­ver­heiratungen finden welt­weit in allen sozialen Schichten, ethnischen und kulturellen Kontexten statt und begründen sich aus patriar­chalischen Familien­strukturen. Inner­halb des familiären Um­felds werden Mädchen und Jungen von klein auf mit den archaischen Werten konditioniert und bei Nicht­ein­haltung der Traditionen häufig von Familien­mitgliedern unter Druck gesetzt oder gar mit Mord bedroht. Nicht nur männ­liche Familien­mitglieder üben den Druck auf Mädchen und Frauen aus, auch Mütter stehen hinter der Ein­haltung von Regeln, um das große Ganze, die kulturellen Traditionen der Familien­strukturen, nicht in Frage zu stellen.

Zwangs­verheiratungen sind bis heute vor allem in islamischen und hinduistischen Gesell­schaften verbreitet, aber nicht auf diese beschränkt. Auch im christ­lichen Kultur­kreis werden Zwangs­ver­heiratungen voll­zogen. Damit soll das Verhalten von Mädchen und Frauen kontrolliert, sexuelle Kontakte vor der Ehe oder „unpassende“ Beziehungen außer­halb einer ethnischen, kulturellen oder religiösen Gruppe oder Kaste vermieden werden, um die „Ehre“ und das gesell­schaft­liche Ansehen der Familie nicht zu schädigen.

Durch Heirats­traditionen soll ein an kulturellen und religiösen Ideal­vor­stellungen orientiertes Familien­verständnis gestärkt werden. Ins­besondere fern von der Heimat werden diese Traditionen in ethnischen Communities auf­recht­erhalten und bei fehlender Integration in die neue Gesell­schaft oft noch verstärkt. Nicht zuletzt sind finanzielle Motive (Braut­geld) Anlass von Zwangs­ver­heiratung. Oft geht es aber auch darum, Personen die Migration aus einem Herkunfts­land nach Deutsch­land zu ermög­lichen oder Zugang zu staat­lichen Sozial­leistungen zu erlangen. Unter­schieden wird bei Zwangs­heirat zwischen verschiedenen Gruppen: „Heirats­verschlep­pung“, „Heirats­import“, „Ver­heiratung für ein Ein­wanderungs­ticket“ und ein gemeinsamer Migrations­hinter­grund. Abzugrenzen sind arrangierte Ehen, die von Verwandten initiiert oder von Ehe­vermittlern arrangiert, aber im Ein­ver­ständnis der Ehe­partner geschlossen werden. Betroffen sind aller­dings nicht nur junge Frauen, sondern auch Jungen und junge Männer.

Rechtslage

Zwangs­verheiratungen verstoßen gegen die Menschen­rechte, inter­nationale Verein­barungen, zivil- sowie straf­rechtliche Vor­schriften in Deutsch­land sowie gegen den Grund­satz der Gleich­berechtigung von Frauen und Männern. In der All­gemeinen Erklärung der Menschen­rechte, Artikel 16 (2) steht: Eine Ehe darf nur bei freier und unein­geschränkter Willens­einigung der künftigen Ehe­gatten geschlossen werden. Gleiches besagt das Überein­kommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women – CEDAW) in Artikel 16. Das von fast allen Staaten ratifizierte Über­ein­kommen ist rechts­verbindlich. Zwangs­ver­heiratung steht auch im Wider­spruch zum jüngsten Beschluss der UN-Kommission für die Rechts­stellung der Frau von 15. März 2013. Darin wurde beschlossen, dass Staaten Gesetze verabschieden sollen, die unter anderem Zwangs­heirat beenden und Mädchen und Frauen durch formelle und informelle Bildungs­programme über ihre Rechte und das Verbot von Zwangs­heirat aufklären.

Gleich­zeitig gelten Zwangs­ehen als „moderne Form der Sklaverei“. In dem UN-Zusatz­über­ein­kommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklaven­handels und sklaverei­ähnlicher Ein­richtungen und Praktiken, verabschiedet im Jahr 1956, steht: Jeder Vertrags­staat dieses Überein­kommens trifft alle durch­führ­baren und notwendigen gesetzgeberischen und sonstigen Maß­nahmen, um schritt­weise und so bald wie möglich die voll­ständige Abschaffung der folgenden Ein­richtungen und Praktiken oder den Verzicht darauf herbei­zuführen, (…), durch die (i) eine Frau, ohne ein Weigerungs­recht zu besitzen, gegen eine an ihre Eltern, ihren Vormund, ihre Familie oder eine andere Person oder Personen­gruppe gegebene Geld- oder Natural­leistung zur Ehe versprochen oder verheiratet wird, (ii) der Ehemann einer Frau, seine Familie oder seine Sippe berechtigt ist, sie gegen Ent­gelt oder in anderer Weise an eine andere Person abzutreten, (iii) eine Frau beim Tode ihres Ehe­mannes an eine andere Person vererbt werden kann.

Auch die deutsche Politik spielt eine Rolle

Durch eine restriktive Ein­wanderungs­politik und die Änderung weiterer aufenthalts-und asyl­rechtlicher Vor­schriften (Zwangs­heirat-Bekämpfungs­gesetz), das am 1. Juli 2011 in Kraft trat, wurde die Ehe­bestands­zeit zur Erlangung eines eigen­ständigen Aufent­halts­titels von zwei auf drei Jahre erhöht (§ 31 Abs. 1 AufenthG).

Mit dieser Gesetz­gebung, die den Aufent­halts­status der Ehe­partnerin an die eheliche Lebens­gemeinschaft bindet, wird dem Abhängigkeits­verhältnis Vorschub geleistet und das eigentliche Ziel, die Zwangs­heirat zu bekämpfen und die Betroffenen zu schützen, konter­kariert. Hier verweisen wir auf Terre des Femmes, die wie die DGVN Mitglieds­organisation im Forum Menschen­rechte ist, und deren Forderungs­­katalog zum Thema Zwangsheirat.