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Ausgelagert: Nordafrikanische Regierungen überlassen das Asylsystem dem UNHCR

Kein Staat in Nordafrika hat bindende Reglungen zum Asylrecht: Asyl­an­träge werden weder angenommen noch bearbeitet. Diese Rolle muss das UNHCR übernehmen, obwohl es laut Flüchtlingskonvention Aufgabe der Nationalstaaten ist, für angemessene Asyl-Rahmenbedingungen zu sorgen.

Syrische Geflüchtete werden im UNHCR-Anmeldezentrum in Kairo/Ägypten registriert (© UNHCR/Shawn Baldwin)

Die fünf nordafrikanischen Staaten Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko waren bislang hauptsächlich als Transitländer von Migrationsbe­wegungen betroffen. Auf dem Weg vom südlichen Afrika nach Europa waren sie nur in seltenen Fällen Ziel von Geflüchteten, sondern eher selbst Emigrationsländer. Aufgrund zunehmender Fluchtbewegungen und stärkerer Grenzkontrollen der EU werden jedoch besonders Libyen und Marokko immer mehr zu Aufnahmeländern. Damit fällt diesen Staaten – die mit Ausnahme Libyens alle die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben – auch die Verantwortung zu, den Geflüchteten Schutz und die damit einhergehenden Rechte sowie eine Perspektive auf Integration zu bieten.


Genfer Konvention verpflichtet Staaten eigenes Asylrecht zu verabschieden

Für Staaten, die entweder die Genfer Konvention nicht unterzeichnet haben oder kein eigenes faires und effizientes Asylrecht haben, übernimmt die UN-Flüchtlings­organisation UNHCR diese Verantwortung. Und die nordafrikanischen Staaten sind nicht die einzigen, die dem UNHCR diese Aufgabe überlassen: Weltweit ist dies in 50 bis 60 Ländern der Fall. Dabei agiert das UNHCR in den Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention auf Basis eines Mandats, welches das ihr die jeweilige Regierung ausspricht. In Marokko stellt zum Beispiel die Regierung die Bedingung, dass Geflüchtete ihren Asylantrag im UNHCR-Büro in Rabat stellen müssen, wo auch die Prüfung durchgeführt wird. Sind die Bescheide positiv, werden sie an die marokkanischen Behörden mit der Empfehlung, der Person Aufenthaltsrecht und Flüchtlingsschutz zu gewähren, weitergereicht.

Das UNHCR bemüht sich zunehmend mit lokalen NGOs zusammenzuarbeiten, da es in vielen Ländern nur ein Büro der UN-Flüchtlingsorganisation gibt und die Anreise dorthin für viele Geflüchtete aus finanziellen und Sicherheitsgründen nicht möglich ist. In diesen Fällen sind die Geflüchteten also nicht in der Lage, legal Asylanträge zu stellen, weswegen sie zwangsweise zu illegalen Geflüchteten werden, ohne Zugang zu humanitärer Hilfe und rechtlichen Schutz. Besonders in Algerien, Tunesien und Marokko arbeitet das UNHCR deswegen eng mit Regierungen und Zivilgesellschaft an der Erarbeitung eines eigenen Asylrechts, das internationalen Standards entspricht. Zwar gibt es in Ägypten, Tunesien und Marokko einige Gesetze zum Schutz von bereits anerkannten Geflüchteten sowie zur Wahrung ihrer Rechte, doch werden diese nicht konsequent respektiert und umgesetzt. Dies bedeutet, dass zu der Aufgabe, Asylbewerbende zu registrieren und deren Flüchtlingsstatus zu prüfen, für das UNHCR noch zusätzlich der Schutz der anerkannten Geflüchteten in den jeweiligen Ländern hinzukommt.
 

Marokkos Nationale Strategie für Flucht und Asyl macht einen Anfang

Ein aus Syrien geflüchtetes Mädchen lernt in einer Schule in Sfax in Tunesien. (© UNHCR/ Mina Shehata)

Neben dem Schutz der Geflüchteten gehört zu den Rechten, die mit dem Flüchtlings­status einhergehen sollten, der Zugang zu Bildung, Gesundheits­versorgung, Arbeits­markt und anderen sozialen Strukturen, die den Geflüch­teten eine Perspektive auf Integration bieten. Dies wird von den fünf Ländern bisher nur in Marokko und ansatzweise in Tunesien umgesetzt. Für seine Bemühungen im Umgang mit Migration hat Marokko international Lob erhalten, besonders seitdem die Regierung 2013 die Nationale Strategie für Asyl und Migration verabschiedet hat. Diese soll anerkannten Geflüchteten den Zugang zum Bildungssystem und Arbeitsmarkt ermöglichen. Zwar umfasst einer der Eckpunkte der Strategie die Einführung eines eigenen Asylrechtes, doch liegt die Gesetzesinitiative dem marokkanischen Parla­ment bereits seit mehreren Jahren vor, ohne verabschiedet worden zu sein.

Algerien und Tunesien haben beide ihre Absicht erklärt, ein Asylrecht in Kooperation mit dem UNHCR zu erarbeiten. Tunesien nimmt eine kleine, aber aufgrund des Konflikts in Libyen wachsende Zahl von Geflüchteten auf, deren rechtliche und sozioökonomische Lage von der UN als stabil eingeschätzt wird. Im Gegensatz dazu berichten Menschenrechtsorganisationen aus Algerien von Verhaftungen und Angriffen auf von den UN anerkannte Geflüchtete. Zudem haben sie keinen legalen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit. Ähnlich ist die Situation in Ägypten, dessen Verfassung nur den Schutz anerkannter politischer Geflüchteter, nicht jedoch die Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit, vorsieht.

Libyen hat die Genfer Konvention nicht unterzeichnet, was bedeutet, dass die Vereinten Nationen die Aufgabe des Schutzes von Geflüchteten innerhalb Libyens übernehmen müssen. Die aktuelle politische Lage des Landes, die von einem militärischen Konflikt und schwachen staatlichen Institutionen geprägt ist, erlaubt es den UN jedoch nur bedingt, diesen Schutz zu gewährleisten. Berichte von Menschenrechtsverletzungen und Sklaverei in Libyen machen seit 2016 immer wieder international Schlagzeilen.

Wandel von Migrationsbewegungen im globalen Kontext betrachtet

Die Gründe für die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen für Asyl und Flüchtlingsschutz liegen in überforderten staatlichen Strukturen und geringer Motivation. Die nordafrikanischen Staaten sind erst innerhalb der letzten zehn Jahren zu Zielländern von Migration geworden – Jahre, die auch von anderen tiefgreifenden innenpolitischen Herausforderungen geprägt waren. Gleichzeitig würden funktionierende Asylrechtssysteme – besonders im Maghreb – dazu führen, dass diese Staaten von der EU leichter als sichere Herkunftsstaaten erklärt werden könnten. Dies hätte zur Folge, dass es für die EU in Zukunft leichter wäre, aus Marokko Geflüchtete – unabhängig davon, ob diese aus Marokko kommen oder ihr Fluchtweg durch Marokko führt – abzuschieben. Bis auf weiteres bleibt das UNHCR jedoch die einzige Institution in Nordafrika, durch welche Geflüchtete ihr Recht auf Schutz einfordern können.


Tonja Klausmann

 

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