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#SpreadNoHate: Die Pläne der UN gegen Hassrede im Internet

Im Januar stellte UN-Generalsekretär António Guterres die wichtigsten Ziele der UN für 2019 vor. Darin betonte er die Gefahr von Hass im Internet, der sogenannten Hassrede. Die UN wollen in einer zunehmend konflikthaften Welt multilaterale Werte damit auch online wahren.

Die UN wollen der Hassrede stärker entgegentreten - nicht nur im digitalen Raum. (UN Photo/Rick Bajornas)

Am 16. Januar stellte UN-Generalsekretär António Guterres vor der UN-Generalversammlung die UN-Agenda für 2019 vor. Einen Schwerpunkt der Agenda bildet die Bekräftigung der Werte, für die die UN stehen: Frieden, Gerechtigkeit, Würde, Toleranz und Solidarität. „Heute werden diese Werte überall auf der Welt angegriffen“, warnte er und erklärte zugleich, dass ein ideologischer Kampf stattfinde, der gewonnen werden müsse. Konkret sollen der Anstieg von Hassrede und Fremdenfeindlichkeit angegangen werden. Denn überall auf der Welt steigt deren Verbreitung vor allem im Internet. Hassrede, ein Phänomen, das in sozialen Medien bekannt wurde, bezeichnet Formen von Kommunikation, die Hass auf Basis von Intoleranz verbreitet, anregt oder bewirbt. Besonders Angehörige von Minderheiten sind Hassbotschaften und gegen Menschenrechte verstoßende, verbalen Entgleisungen ausgesetzt. Die Geltung der Menschenrechte werden dadurch direkt missachtet. Hassrede meint somit auch immer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Aus diesen Gründen rief Guterres die Lektionen der 1930er Jahre in Erinnerung, als Fremdenfeindlichkeit und gruppenbezogener Hass eskalierten.


Keine Toleranz gegenüber Hassrede

Bereits im Oktober 2018 hatte der Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen der Generalversammlung vor einer „allgemeinen Gleichgültigkeit“ gegenüber hasserfüllter Verhaltensweisen gewarnt und zugleich gefordert, dass Staaten eine Null-Toleranz Politik in Sachen Hassreden, Diskriminierung, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit implementieren sollten. Der Grundstein dafür wurde bereits 2001 während der Weltkonferenz gegen Rassismus in Südafrika gelegt und mit der „Durban Declaration“ auch angenommen. Wie nun Staaten dagegen vorgehen sollen, darauf gab UN-Sonderberichterstatterin für zeitgenössische Formen von Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, E. Tendayi Achiume, vor kurzem einen Ausblick. So warnte sie die Staaten vor der Anwendung von Reiseverboten und einer Sparpolitik, die nationalistischen Populismus förderten. Zudem hob sie den Kern von Hassreden hervor, als sie die Relevanz von Online-Foren für rassistische und intolerante Gruppen betonte. Vor allem deren digitale Anonymität mache es leicht, sich abwertend und menschenfeindlich zu äußern. Die UNAOC rief deshalb 2017 die Kampagne #SpreadNoHate ins Leben, die einen globalen Dialog über Hassrede gegen Migrantinnen und Migranten und Geflüchtete gestartet hat.

 

Wie der Computerbildschirm zum Schlachtfeld wird

Charles Radcliffe, Mitarbeiter im Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights - OHCHR), stellte 2016 fest, dass Gewalttaten etwa gegen die LGBTQ-Community weltweit zunehmen. Ereignisse, die Guterres' Warnung vor den 1930er Jahren Recht geben. Auch damals folgten auf verbalen Hass und Hetze Gewalt und Mord. Deshalb erklärte der UN-Menschenrechtsrat 2018, dass Menschenrechte nicht nur offline, sondern auch online geschützt werden müssen. In einem Beschluss des UN-Menschenrechtsrates werden die Staaten aufgerufen, für effektive Mittel gegen Online-Menschenrechtsverletzungen zu sorgen. Das Dokument trägt den Titel „The Promotion, Protection and Enjoyment of Human Rights on the Internet“ und ist zugleich eine Bestandsaufnahme der Vielfalt von Online-Hass. Beispielsweise werden geschlechterbasierte Online-Attacken verurteilt und ein besserer Schutz für Journalistinnen und Journalisten, die zum Ziel von Online-Diskriminierung werden, gefordert. Doch es geht nicht nur darum Sicherheit zu gewährleisten, vielmehr soll der Verbreitung von Online-Hass auch aktiv entgegen getreten werden. Dafür wird den Staaten geraten, Training im Umgang mit Medien sowie Kampagnen zu initiieren, um Hass im Internet zu identifizieren und vorzubeugen.

Die Umsetzung der Beschlüsse des Menschenrechtsrates bringen jedoch ganz eigene Probleme mit sich. Das Beispiel Facebook illustriert das besonders gut. Auf dem sozialen Netzwerk konzentrieren sich viele Aktivitäten von Hassrednern und Hetzern, die es zur Verbreitung ihrer menschenrechtsfeindlichen Inhalte nutzen. Der Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer schreibt in seinem Buch „Autoritäre Versuchungen“, dass es zahllose Fälle gebe, „in denen Facebook-Nutzer politische Hetze gegen Minderheiten betrieben“. Unterstellungen oder Verleumdungen würden jedoch nicht gelöscht, da diese nicht gegen die Gemeinschaftsstandards, den Umgangsregeln, die Facebook vorschreibt, verstießen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde 2017 etwa in Deutschland das Netzwerkdurchsuchungsgesetz verabschiedet. Dieses schreibt unter anderem vor, dass gesetzeswidrige Hassreden innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen. Doch die zu weite Auslegung des Gesetzes durch Strafverfolgungsbehörden ruft nicht nur Netzaktivistinnen und Netzaktivisten auf den Plan. Denn auch satirische Beiträge mussten gelöscht werden. Kommt das nicht schon Zensur gleich?

 

Der Balanceakt zwischen Zensur und Schutz der Menschenwürde

Dieser Vorwurf kommt vor allem aus dem Land, das 2018 aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgetreten ist, den USA. Gerade dort hat die Meinungsfreiheit einen besonders hohen Stellenwert und wird im 1. Zusatzartikel zur Verfassung der USA als Recht zur freien Rede „ohne Zensur“ garantiert. Dennoch gibt es auch in den USA Fälle, wo zu Gunsten der Menschenwürde Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde. Reicht es demzufolge aus, im Einzelfall den Balanceakt zwischen Menschenwürde und Meinungsfreiheit zu schaffen? Der Beschluss des UN-Menschenrechtsrats stellt die beiden Grundrechte auf eine Ebene. Meinungsfreiheit sei ebenso schutzbedürftig wie das Recht, sich sicher zu fühlen in Würde und Rechten. Doch klar ist, dass Hassrede im Internet eingedämmt werden muss. Die ehemalige stellvertretende UN-Kommissarin für Menschenrechte, Flavia Pansieri, hat die Aufgabe bereits 2013 als Frage formuliert:

„Wo endet die Meinungsfreiheit, die wir alle zu respektieren haben, und wo beginnt die Pflicht Hassrede vorzubeugen und zu sanktionieren?“

Denn während die Verbreitung von Hassrede wächst, wachsen auch die Möglichkeiten zur Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement und Partizipation. Letzteres bekräftigt den Handlungswillen der UN im Vorgehen gegen Hassrede als eine der größten Bedrohungen der Gesellschaft.

 

Dominik Schlett

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