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Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen

Die kürzlich aufgedeckten Menschenrechts- verletzungen von Minderjährigen in australischen Haftanstalten sind kein Einzelfall. Misshandlungen in Gefängnissen gehören weltweit zum grausamen Alltag. Menschen, die mit Freiheitsentzug bestraft werden, müssen deshalb vor Übergriffen auf ihre Person beschützt werden. Als Gefangene stehen sie meist in kompletter Abhängigkeit zu anderen Menschen, was sie besonders schutzbedürftig macht. Die Vereinten Nationen haben deshalb entsprechende Grundsätze und Regeln verabschiedet. Darunter auch die „Nelson Mandela Regeln“, die erst im vergangenen Jahr überarbeitet wurden und nun umfassender implementiert werden sollen.

UN Photo/Victoria Hazou

Das Thema Menschenrechtsschutz in Gefängnissen ist von erschreckender Aktualität. Erst im Juli 2016 wurden Übergriffe in einem australischen Gefängnis bekannt, in dem Kinder und Jugendliche misshandelt, gedemütigt und gefoltert wurden. In zahlreichen Mitgliedsstaaten wird Gefangenen außerdem lebenswichtige medizinische Versorgung vorenthalten, oft in Verbindung mit gezielt beigefügten Schmerzen und Misshandlungen, wie es beispielsweise bei poltischen Gefangenen im Iran bekannt ist. Recherchen von Amnesty International kommen im Zusammenhang von spezifischer Gewalt gegen Frauen zur Erpressung von Geständnissen zu dem gleichen Schluss. Da das Gefängniswesen nicht sichtbarer Teil der breiten Öffentlichkeit ist und in einer Art Parallelwelt existiert, werden solche Taten viel zu selten publik und Verbrechen der Verantwortlichen kaum politisch und strafrechtlich aufgearbeitet; von dem, was in geheimen Gefängnissen passiert ganz zu schweigen. 

Druckfassung der "Nelson Mandela Regeln" wird aufgeschlagen
Die "Nelson Mandela Regeln" sind ein umfassendes Regelwerk zum Umgang mit inhaftierten Menschen und ihrer Rechte. Dabei begründet es keinen Anspruch auf Vollständig- oder Endgültigkeit sondern bildet den aktuellen Stand der meschenrechtlichen Debatte im Bereich Haft ab. (UN Photo/Amanda Voisard)

Die „Nelson Mandela Regeln“ zum Schutz von Gefangenen

Um solchen Missständen zu begegnen, wurden bereits 1957 von den Vereinten Nationen die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen angenommen. Sie wurden im Jahr 2015 zuletzt überarbeitet (engl.: Revised Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners). In Erinnerung an den ehemaligen Präsidenten Südafrikas Nelson Mandela, der 27 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht hat, werden die Grundsätze auch „Nelson Mandela Rules“ genannt. Sie umfassen Rechte der Gefangenen in Bezug auf Standards bei Unterbringung, Verpflegung, Gesundheitsversorgung sowie Kontakt zur Außenwelt und regeln Besitzverhältnisse, Arbeit und Bildung in Haftanstalten. Die überarbeiteten Regeln enthalten spezifischere Regelungen zu Isolationshaft, die jetzt als Haft von Gefangenen für 22 oder mehr Stunden am Tag ohne bedeutenden menschlichen Kontakt definiert wird. Auch sind erstmals Richtlinien zur Durchsuchung von Personen einschließlich Leibesvisitationen und der Untersuchung von Körperöffnungen einbezogen worden.

Die Standards gelten gleichermaßen für diejenigen, die unschuldig inhaftiert sind, wie die, die nachvollziehbar und rechtskonform verurteilt wurden. Nicht nur, weil Rechtsprechung und Gerechtigkeit nicht zwangsläufig übereinstimmen müssen, sondern auch, weil alle Menschen vorbehaltslos das Recht auf ihre geistige und körperliche Unversehrtheit haben.

Die Regelungen markieren aber keineswegs einen Endpunkt in der Debatte um die Rechte von Gefangenen. In den Vorbemerkungen der Druckfassung des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (engl.: United Nations Office on Drugs and Crime) heißt es, dass die Regeln sich einem Feld annehmen, das sich ständig weiterentwickelt und andere Erfahrungen und Versuche nicht ausschließen sollen, solange sie mit den Grundprinzipien der Menschlichkeit in Einklang zu bringen sind. Das Dokument ist in zwei Teile unterteilt. Zum einen enthält es Richtlinien, die sich mit dem allgemeinen Management von Gefängnissen befassen und auf alle Kategorien von Gefangenen anwendbar sein sollen. Zum anderen gibt es einen spezifischeren Teil, der sich mit zivilen Häftlingen, Menschen mit Behinderungen sowie Arbeit und Bildung in Gefängnissen und weiteren Themen auseinandersetzt.

Gefängnisangestellte nehmen an einer Präsentation zu Rechten von Gefangenen teil.
Neben den "Nelson Mandela Regeln" gibt es eine Reihe weiterer Vereinbarungen, die sich mit den Rechten von Gefangenen auseinandersetzen. (UN Photo/Olivier Chassot)

Weitere Grundlagen zur menschenrechtskonformen Behandlung von Gefangenen

Die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen werden wegen ihrer Ausführlichkeit und Aktualität häufig als die grundlegende Quelle für die Rechte von Gefangenen gesehen. Trotzdem gibt es eine Reihe weiterer internationaler Vereinbarungen, die herangezogen werden können. Hierunter fallen die elf Grundprinzipien für die Behandlung der Gefangenen (engl.: Basic Principles for the Treatment of Prisoners) und der Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen (engl.: Body of Principles for the Protection of All Persons Under Any Form of Detention or Imprisonment). Für spezifische Zielgruppen wie Kinder und Frauen gibt es die Grundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung weiblicher Gefangener und für nicht freiheitsentziehende Maßnahmen für weibliche Straffällige (engl.: United Nations Rules for the Treatment of Women Prisoners and Non-custodial Measures for Women Offenders) sowie die Rahmenbestimmungen der Vereinten Nationen für die Jugendgerichtsbarkeit (engl.: United Nations Standard Minimum Rules for the Administration of Juvenile Justice). Des Weiteren finden sich in den Bestimmungen des Übereinkommens gegen Folter und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zusätzliche Hinweise über die Rechte von inhaftierten Menschen. Darüber hinaus hat der Menschenrechtsausschuss deutlich gemacht, dass Menschen, denen ihre Freiheit entzogen wurde, in jedem Fall mit Würde und Menschlichkeit zu begegnen ist. Zudem hängt diese grundsätzliche und universell gültige Regel nicht von den materiellen Ressourcen eines Mitgliedsstaates ab.

Zwei Gefangene stehen an einem vergitterten Fenster.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist einer der Hauptakteure, die sich für die Rechte von Gefangenen einsetzen. (UN Photo/Eric Kanalstein)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als Hauptakteur

Einer der Hauptakteure, der sich weltweit für den Schutz von Gefangenen einsetzt und mit dem entsprechenden Mandat ausgestattet ist, ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Angestellte des Roten Kreuzes besuchen Gefängnisse weltweit, sprechen mit inhaftierten Menschen und dokumentieren ihre Erfahrungen. Das Rote Kreuz stellt fest, dass Gefangene per Definition gefährdet sind, da sie nicht in der Lage sind, ihre Leben selbstständig zu führen, sondern den verantwortlichen  Behörden und ihren Vertreter*innen ausgeliefert sind. Um den Grad der Vulnerabilität von individuellen Gefangenen zu bestimmen, führt das Rote Kreuz deshalb drei Gruppierungen an:

  • Die Kategorie zu der sie gehören, z. B. Kriegsgefangene, Sicherheitsgefangene, Schwerverbrecher*innen oder sogenannten irreguläre Migrant*innen, …,
  • wo sie sich im Gerichtsverfahren befinden, z. B.  unter Verhör, in Untersuchungshaft oder verurteilt und
  • individuelle Charakteristika wie Geschlecht, Alter, Nationalität und Gesundheitszustand.

Darüber hinaus sind aber alle Gefangenen in gleichem Maße von systematischen Defiziten in Hafteinrichtungen und Verfahren betroffen.

Aus diesem Grund setzen die „Nelson Mandela Regeln“ an zwei Seiten an: ihre Implementierung würde einerseits die Behandlung von Millionen von Gefangenen weltweit signifikant verbessern. Gleichzeitig stellen sie eine Orientierungshilfe für Gefängnisangestellte dar, um ihre Aufgabe in Übereinstimmung mit grundlegenden Menschenrechten zu erfüllen.

Claudia Jach

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