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Deutschland im UN-Menschenrechtsrat: „Wir müssen auf Einigkeit setzen“

Susanne Baumann, die Leiterin der Abteilung für Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt, spricht über die ehrgeizige Agenda Deutschlands als Mitglied im UN-Menschenrechtsrat und über die aktuelle Leistungsfähigkeit des Gremiums.

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Susanne Baumann: „Wir haben uns eine ehrgeizige Agenda vorgenommen, die wir als Einzelkämpfer nicht durchsetzen können.“ (Thomas Imo/phototek.net)

Katja Philipps: Frau Baumann, mit welchem Gefühl gehen Sie in das neue Jahr 2020?

Susanne Baumann: Das Jahr hat schwierig begonnen. Wenn wir sehen, was im Nahen und Mittleren Osten passiert ist, wie sich die Situation in Libyen entwickelt stehen wir vor großen Herausforderungen. Aber Deutschland ist mit der gleichzeitigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheits- und Menschenrechtsrat so positioniert, dass wir zur Konfliktlösung beitragen können.

Sie sprechen es an – Deutschland ist Ende 2019 von der UN-Generalversammlung für zwei Jahre in den Menschenrechtsrat gewählt worden. Warum hat sich Deutschland um eine erneute Mitgliedschaft bemüht?

Für uns ist der Menschenrechtsrat das wichtigste UN-Gremium, das sich sowohl mit Querschnittsthemen als auch mit Menschenrechtssituationen in bestimmten Staaten beschäftigt. Für uns ist die Mitgliedschaft so wichtig, weil wir in unserer Außenpolitik dem Menschenrechtsschutz einen sehr hohen Stellenwert einräumen. Er ist die Grundlage für Frieden, Sicherheit und Entwicklung und deshalb ist eine möglichst lange, möglichst dauerhafte Mitgliedschaft essenziell, um unsere Menschenrechtspolitik in diesem Rahmen voranzutreiben.

Außenminister Heiko Maas hat anlässlich der erneuten Mitgliedschaft gesagt: „Insbesondere in Zeiten, in denen sich andere Staaten zurückziehen, macht sich Deutschland für weltweiten Schutz und Förderung der Menschenrechte stark“. Kann und will Deutschland dabei auch Stellung gegen Großmächte, wie z. B. China, beziehen?

Wir basieren unsere Außen- und unsere Menschenrechtspolitik ganz klar auf dem internationalen Recht und auf dem Grundsatz, dass Menschenrechte allgemeingültig sind. Diese Politik wollen wir durchsetzen, sowohl im Menschenrechtsrat als auch im Sicherheitsrat.

Konkret noch einmal zu China: Im Rahmen des Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens wurde der chinesischen Regierung vorgeworfen, Druck auf andere Mitgliedsstaaten auszuüben, um Kritik an der eigenen Menschenrechtsbilanz zu unterdrücken. Inwiefern kann Deutschland da entgegenwirken?

Im Zusammenhang mit China haben wir in den letzten Monaten mehrfach deutlich Stellung bezogen.

Sie sagen, der Menschenrechtsrat sei für Deutschland das wichtigste UN-Gremium – trotzdem gibt es immer wieder Kritik an seiner Leistungsfähigkeit. Was kann der Rat tatsächlich leisten, was aber auch nicht?

Wenn wir uns anschauen, was der Menschenrechtsrat in den letzten Jahren bewirkt hat, ist das sehr beachtlich. Mit Blick auf die verheerende Menschenrechtssituation in Syrien hat der Menschenrechtsrat die Einsetzung eines Beweissicherungsmechanismus beschlossen, den wir unterstützen. Dasselbe ist der Fall in Myanmar, im Jemen, zuletzt sind Menschenrechtsbeschlüsse für den Sudan gefasst worden. Vieles, was zum Beispiel im Sicherheitsrat durch das Vetorecht der P5-Staaten nicht mehr möglich ist, kann durch die Mehrheitsbeschlüsse im Menschenrechtstrat doch noch durchgebracht werden. Sie haben eben das UPR-Verfahren angesprochen: Bei aller Kritik, die manche Staaten am Menschenrechtsrat äußern, ist gerade dieses Verfahren, in dem sich die Staaten den Fragen der anderen Mitglieder stellen müssen, eines seiner wichtigsten Instrumente.

Wir bleiben dem Menschenrechtsrat verpflichtet und grundsätzlich gilt: Wenn wir Reformbedarf sehen, bevorzugen wir es, diesen von innen anzugehen.

Welches aus Ihrer Sicht auch nicht durch den Austritt einflussreicher Nationen wie den USA beeinträchtigt wird?

Wir würden natürlich die USA, die immer noch in vielen Bereichen für Menschenrechte eintreten, lieber im Gremium als außerhalb des Gremiums sehen. Wir bleiben dem Menschenrechtsrat verpflichtet und grundsätzlich gilt, nicht nur für den Menschenrechtsrat, sondern auch für andere Institutionen: Wenn wir Reformbedarf sehen, bevorzugen wir es, diesen von innen anzugehen.

Sie sprechen Reformen von innen heraus an. Der Menschenrechtsrat sieht sich gerade auch mit strukturellen, vor allen Dingen finanziellen Problemen konfrontiert. Wird sich Deutschland für mehr Haushaltsmittel im Ausschuss der Generalversammlung einsetzen?

Dieses finanzielle Problem steht bei uns oben auf der Agenda. Wir sind einer der größten Pflichtbeitragszahler, wickeln aber auch vieles über freiwillige Beiträge ab. Dieses Jahr können wir zufrieden sein: Im Fünften Ausschuss der Generalversammlung ist es gelungen, ein vernünftiges Budget für den Menschenrechtsrat und seine Instrumente durchzubekommen. Trotzdem gibt es Staaten, die dem Menschenrechtsschutz nicht so aufgeschlossen gegenüberstehen und versuchen, seine Arbeit durch die Hintertür über die finanzielle Seite einzuschränken.

Welche Themenschwerpunkte will Deutschland während der Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat setzen?

Wir haben uns eine sehr ehrgeizige Agenda vorgenommen. Am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, hat Außenminister Maas eine Allianz für die Menschenrechte ausgerufen. Das war ein Appell an gleichgesinnte Staaten, gemeinsam mit uns den Menschenrechtsschutz voranzubringen. Es ist klar, dass wir das als Einzelkämpfer nicht können. Ganz oben auf unserer Agenda steht die Menschenrechtslage in Syrien, im Jemen, im Sudan, in Libyen und in vielen anderen Krisengebieten, in denen auch die humanitäre Versorgung eine große Rolle spielt. Diese beiden Themen gehen Hand in Hand.

Dann werden wir auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit, verbunden mit sexualisierter Gewalt in Konflikten, weiter voranbringen. Wir schauen auf die Frage, welche Folgen der Klimawandel auf die Menschenrechtssituation weltweit hat. Ein weiteres Thema, das immer mehr auf uns zukommen wird: Welche Folgen haben künstliche Intelligenz und Digitalisierung für unsere Menschenrechtspolitik?

Wir setzen in der EU auf Einigkeit. Das ist nicht immer einfach, weil es zu manchen Themen wie der Religionsfreiheit oder den Frauenrechten sehr unterschiedliche Positionen gibt.

Sie sagen selbst, Deutschland wird diese Themen nur in Allianz mit anderen Staaten durchsetzen können. Wie beurteilen Sie die Schwierigkeiten, innerhalb der EU im Menschenrechtsrat mit einer Stimme zu sprechen?

Wir setzen in der EU – im Menschenrechtsrat, aber auch darüber hinaus – auf Einigkeit. Das ist nicht immer einfach, weil es zu manchen Themen wie der Religionsfreiheit oder den gerade erwähnten Frauenrechten sehr unterschiedliche Positionen der EU-Mitgliedsstaaten gibt. Wir stehen mit Partnern, die nicht unserer Meinung sind, im permanenten Kontakt und versuchen, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen.

Kann die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 da weiterhelfen?

Mit der EU-Ratspräsidentschaft sehen wir uns auch in der Rolle des ehrlichen Maklers, dem es darum geht, unterschiedliche Positionen unter einen Hut zu bringen. Ein wichtiger Punkt wird hier die rechtliche Ausgestaltung eines europäischen Menschenrechtssanktionsregimes sein, das wir im Grundsatz bereits beschlossen haben.

Zum Abschluss in Blick in die Zukunft: Wann wird die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat aus Ihrer Sicht zum Erfolg? Was müsste dafür erreicht werden?

Was die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat angeht, hoffe ich, dass wir möglichst dauerhaft – mit den geringen Pausen, die uns die Statuten verordnen – Mitglied sein werden, da es langfristige Aufgaben gibt, an denen wir arbeiten. Für mich persönlich ist die Frage der Straflosigkeit sehr wichtig: Wie können wir diesen Zustand beenden, wie können wir Mechanismen stärken, die die Strafverfolgung besser voranbringen und eine abschreckende Wirkung auf Menschenrechtsverletzungen haben können? Wenn wir da schrittweise Erfolge erzielen können, sei es in Syrien, im Sudan oder in Libyen, dann haben wir, denke ich, einiges erreicht.

Frau Baumann, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

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