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Schutz von Whistleblowern: weltweit und UN-intern

Ein UN-Bericht zum Umgang von Staaten und internationalen Organisationen mit Informationsquellen von Journalist_innen und Öffentlichkeit sowie Whistleblowern kommt zu dem Schluss, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in diesem Kontext, besonders mit Verweis auf vermeintliche nationale Sicherheitsaspekte der Mitgliedstaaten, nicht ausreichend geschützt wird. Effektive rechtliche Schutzmechanismen sind oft nicht vorhanden und Meinungsfreiheit droht so in einer Kultur des Schweigens unterzugehen.

David Kaye, Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung (© UN Photo/Jean-Marc Ferré)
David Kaye, Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung. (UN Photo/Jean-Marc Ferré)

Im Oktober 2015 hat der Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, David Kaye, seinen jährlichen Bericht herausgegeben. Dies ist der erste dieser Art, der sich mit dem Umgang mit Informationsquellen und Whistleblowern auseinandersetzt, die das Recht auf Zugang zu Informationen für die Öffentlichkeit in Fällen, die sie betreffen, möglich machen. In dem Bericht kommt der Sonderberichterstatter zu dem Schluss, dass Whistleblower weltweit insbesondere von Regierungsoffiziellen und Mitarbeitenden eingeschüchtert und damit der Öffentlichkeit wichtige Informationen vorenthalten werden. Auch müssen die Verantwortlichen möglichen Fehlverhaltens so keine Rechenschaft ablegen oder können sich gar einer Strafverfolgung entziehen.

Während es im Bericht bewusst vermieden wird, konkrete (prominente) Beispiele von Whisteblowern anzusprechen, sind die allgemeinen Kräfteungleichheiten im Verhältnis zwischen Staat und Einzelnem besonders gut herausgearbeitet: „In Fällen von Offenlegungen von Quellen und Whistleblower haben öffentliche Institutionen die meiste Macht – die Macht einzuschüchtern, zu ermitteln, zu bestrafen. Sie haben auch größeren Zugang zu Informationen und somit die Fähigkeit, ihre Meinung zu äußern, während die Quelle oder Whistleblower üblicherweise nur einen Einblick in breitere Politiken und Verfahren hat, behindert von Geheimhaltungsgesetzen, die eine adäquate Verteidigung ausschließen.“

UN Photo/Devra Berkowitz
UN Photo/Devra Berkowitz

Asymmetrische Machtverhältnisse ausgleichen

Auf der Basis von Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist es Staaten aber nicht gestattet, die Offenlegung von Informationen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen oder Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in jedweder Art zu bestrafen (vgl. General Comment No. 34 und A/70/361). Im Gegenteil: Investigative Arbeit muss durch den Schutz von Quellen sichergestellt werden und über den Schutz von Journalist_innen hinaus auf Blogger_innen, Researcher_innen von Nichtregierungsorganisationen, Autor_innen, Akademiker_innen und jegliche andere Form zivilgesellschaftlichen, partizipativen Journalismus ausgedehnt werden, wie der Bericht unterstreicht. Und zwar in detaillierter, rechtlicher Form, so dass Whistleblower Klarheit über den Schutz haben, den sie einfordern können, vor allem wenn sie auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen.

Der Fall Assange als Beispiel

Die Relevanz des Berichts wird auch im Kontext der jüngsten Berichterstattungen über den Whistleblower Julian Assange nochmals verdeutlicht. Die Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hat am 4. Dezember 2015 ihr Meinungspapier Nr. 54/2015 verabschiedet. In ihm kommt die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass Schweden und Großbritannien den WikiLeaks-Gründer Julian Assange willkürlich inhaftiert haben und rufen die entsprechenden Behörden dazu auf, ihm Bewegungsfreiheit zu gewähren und Wiedergutmachung zu leisten. Als Form des Freiheitsentzugs werten die Mitglieder der Arbeitsgruppe nicht nur Assange’s ursprüngliche Inhaftierung in einem Londoner Gefängnis, sondern auch den darauf folgenden Hausarrest und die Einschränkung auf das Leben in der Botschaft Ecuadors in London, in welcher Assange Asyl erhalten hat. In ihrer Argumentation nimmt die Arbeitsgruppe unter anderem Bezug auf die mutmaßlich drohende Zurückweisung Assange’s durch Schweden an die USA und die möglichen physischen und psychischen Konsequenzen, die ihm dort als Whistleblower drohen würden. Konkret sieht die Arbeitsgruppe die Inhaftierung Assange’s in Konflikt mit Artikeln neun und zehn der Allgemeinen Erklärung sowie sechs weiteren Artikeln des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (7, 9(1), 9(3), 9(4), 10, 14).

Diese Erkenntnisse sollten aber keinesfalls als Endpunkt der strafrechtlichen Untersuchung betrachtet werden, die gegen Assange wegen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs eingeleitet wurde. Diesen Anschuldigungen muss unter gleichzeitiger Gewährleistung des Schutzes von Assange als Whistleblower in jedem Fall nachgegangen werden.

UN Photo/Jean-Marc Ferré
UN Photo/Jean-Marc Ferré

Schutz im UN-System selbst

Innerhalb der Vereinten Nationen ist das Ethikbüro für den Schutz derer zuständig, die Fehlverhalten von Mitarbeitenden anprangern oder an offiziellen Untersuchungen mitwirken. Der Schutz ist im Bulletin des Generalsekretärs vom 19. Dezember 2005 niedergelegt. Neben den Schutzmaßnahmen und Handlungsanweisungen für den Umgang mit Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower enthält das Bulletin aber auch die Verpflichtungserklärung der Mitarbeitenden, alle Verfehlungen gegenüber den Regeln und Bestimmungen der UN zu melden. Aber auch dieses System weist Mängel auf. So drängt der Sonderberichterstatter in seinem Bericht darauf, dass die UN mehr Transparenz schaffen und besonders gegenwärtige Justizmechanismen gestärkt werden müssen. 

Claudia Jach

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